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Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]; Aly, Wolfgang [Oth.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1914, 2. Abhandlung): Mitteilungen aus der Freiburger Papyrussammlung: 1. Literarische Stücke — Heidelberg, 1914

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.33295#0047
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Mitteilungen aus der Freiburger Papyrussammlung I. 47

Wir können diesen im iortwährenden Flusse begriifenen Dingen
mit den Begriffen echt oder unecht, literarisch oder unliterarisch
nicht gerecht werden, weil es sich um die Schaffung neuer Aus-
drucksformen handelt, die zunächst ohne j edes literarische Interesse
dazu bestimmt sind, einem Interessentenkreise die Vorstellung
eines Geschehnisses zu übermitteln, clessen Bedeutung ganz von
der inneren Verfassung des Mitteilenden abhängig ist. Die
gegebene Form ist die des amthchen Protokolls, das jedoch die
dem Berichterstatter wesentlichen Dinge oft nur ungenügend zum
Ausdruck bringen wird. Damit wird der Bericht von vornherein
zur Dichtung, indem man das Vermißte ergänzt. So geht es von
Stufe zu Stufe bis zur ganz frei erfundenen Unterredung. Das
historische Problem der Wirklichkeit des mitgeteilten Faktums
scheidet sich scharf von dem hterarisclien, wie weit aus der
stumpfrealistischen Wiedergabe des Wirklichen ein neues und
brauchbaresAusdrucksmittel geworden ist. Das ist es offenbar indem
letztgefundenen Bericht, der sicher „gefälscht“ oder, um etwas
weniger feindselig zu sprechen, frei erdichtet ist; clort haben wir
einen vollständigen Dialog zwischen clem Angeklagten und den
Kaisern, der nach Form und Inhalt sehr amüsant ist. Ich setze
ein gut erhaltenes Stück als Probe hier hin:

AuTOxpcmüp [xsTsxaXsoaTO auTOV (tov ’A7C7aav6v). AuTOXpaTWp
oLtcev vuv oux olSac, tivl XaXAp; ’A-cuavop- iniaT<x[icu, ’A7C7uav6p
TUpavvco. AuToxpaTop • oux, aXXa ßaoiXsu ’Atctc. touto pD] Xsys - to)
yap Feq) ’Avtoovsxvo) tco TcaTpc oou sTcpeTcs auTOxpa.TOpeuecv. axoue,
TO jJLEV 7CpO)TOV 7]V CptXoOO CpOp, TO SoUTSpOV acpcXapyUpOp, TO TpLTOV cpt,X-

ayahop- oo't, toutoov toc evavTca evxet-Tau, TUpavvta dcpiXoxaya-9ta d.7cat,Sia.
Kauoap exeXeuoev auTov d.Tcayhyvat, . . .

So geht es weiter, wenige Worte berichtencl, dann wieder in
regelrechtem, selir lebhaftem Dialoge. Wenn Bauer dazu S. 32
Anm. 1 bemerkt, daß ,,die literarische Verbreitung derartiger
Stücke, obwohl nach gut antiker Tradition diese Form für ein
Jiterarisches Erzeugnis ganz ungeeignet war, im zweiten Jahr-
hundert nicht wundernehmen könne, wo die für die Stilisiernng
solchen Rohmaterials früher gültigen Gesetze nicht mehr gegolten
hätten“, so verkennt er dabei, daß sich eben aüs der ungezwungenen
Natürlichkeit damals gerade eine neue Literaturform entwickelt
hatte. Auch diese Akten sind Diatriben; und gerade das zweite
Jahrhundert besaß wieder die Fähigkeit, daraus etwas zu machen.
 
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