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E. I. Bekker.
zu folgen hatte. Wir möchten annehmen, daß Staatenverbände
und Staatenrechte auf dem gleichen Wege erwachsen sohten.
Halten wir nun aher Umschau unter den Staaten, in deren
eigenstes Wesen der Krieg uns besseren Einblick verschafft hat,
so werden wir uns kaum der Uberzeugung verschließen können,
noch unter Urstaaten zu leben. Überall der gleiche kindliche
Egoismus, das von beliebigen Gemütsregungen diktierte Begehren
und Habenwohen, das die Schwierigkeiten, das Gefährliche oder
gar Unmögliche des Erreichens nicht achtet, und jedes Pfiicht-
gefühl mit Füßen tritt. Was kümmert den Russen, der das Testa-
ment seines großen Zaren erfühen, und das Schwarze zum Russi-
schen Meere machen möchte, daß die Territorien, nach deren Be-
herrschung er trachtet, noch im wohlerworbenen Besitze Anderer
stehen ? Franzosen möchten in der ,,gloire" und der ,,revanche",
mit etwa noch dem Anhängsel des linken Rheinufers, ihnen ganz
ausschließhch zuständige Erbstücke erblicken. Noch weiter ist
England in seinen imperialistischen Träumen gediehen; bei ihm
steht noch weniger das Erreichen als das Behaupten des vermeint-
lich bereits Erreichten in Frage. Es besitzt schon die Aheinherr-
schaft zur See, durch die Beherrschung der Meerengen und einiger
anderer Punkte von besonderer politischen Wichtigkeit, daran
muß nun eine, wenn auch gemilderte Oberherrschaft tiber die
Länder sich schließen. Wer dieser naturgemäßen Entwicklung
Einhalt gebieten wollte, verdiente nach englischer Auffassung neben
der Abstrafung noch die ahgemeine Verachtung. Besondere
Dekorationsstücke dieser Politik sind die auch von vielen Eng-
ländern als solche erkannte fadenscheinige Heuchelei und der
Krämergeist, der unter Verleugnung jedes idealen Empfindens
den Wert aller Ereignisse auf Heller und Pfennig zu be-
rechnen weiß.
Und summarisch betrachtet, steht es auch mit unseren Neu-
tralen nicht viel anders. Nirgends ein durchschlagendes Pflicht-
gefühl, das beispielsweise vermocht hätte, die Mächtigen zu ver-
einen, um im Interesse der ganzen Menschheit dem Kriege Grenzen
und Ende zu setzen. Überhaupt Fehlen des Idealismus, dagegen
Pflege des Nützlichkeitssinnes, doch leider nur des kleinartigen,
auf nächste Ziele bedachten. ,,Ich bin neutral, weil mir das im
Augenblicke vorteilhaft und weil Kriege führen überhaupt eine teure
Sache. Einstweilen ziehe ich aus der Neutralität auch manche
Vorteile und hoffe vielleicht beim Schluß des Krieges auf noch
E. I. Bekker.
zu folgen hatte. Wir möchten annehmen, daß Staatenverbände
und Staatenrechte auf dem gleichen Wege erwachsen sohten.
Halten wir nun aher Umschau unter den Staaten, in deren
eigenstes Wesen der Krieg uns besseren Einblick verschafft hat,
so werden wir uns kaum der Uberzeugung verschließen können,
noch unter Urstaaten zu leben. Überall der gleiche kindliche
Egoismus, das von beliebigen Gemütsregungen diktierte Begehren
und Habenwohen, das die Schwierigkeiten, das Gefährliche oder
gar Unmögliche des Erreichens nicht achtet, und jedes Pfiicht-
gefühl mit Füßen tritt. Was kümmert den Russen, der das Testa-
ment seines großen Zaren erfühen, und das Schwarze zum Russi-
schen Meere machen möchte, daß die Territorien, nach deren Be-
herrschung er trachtet, noch im wohlerworbenen Besitze Anderer
stehen ? Franzosen möchten in der ,,gloire" und der ,,revanche",
mit etwa noch dem Anhängsel des linken Rheinufers, ihnen ganz
ausschließhch zuständige Erbstücke erblicken. Noch weiter ist
England in seinen imperialistischen Träumen gediehen; bei ihm
steht noch weniger das Erreichen als das Behaupten des vermeint-
lich bereits Erreichten in Frage. Es besitzt schon die Aheinherr-
schaft zur See, durch die Beherrschung der Meerengen und einiger
anderer Punkte von besonderer politischen Wichtigkeit, daran
muß nun eine, wenn auch gemilderte Oberherrschaft tiber die
Länder sich schließen. Wer dieser naturgemäßen Entwicklung
Einhalt gebieten wollte, verdiente nach englischer Auffassung neben
der Abstrafung noch die ahgemeine Verachtung. Besondere
Dekorationsstücke dieser Politik sind die auch von vielen Eng-
ländern als solche erkannte fadenscheinige Heuchelei und der
Krämergeist, der unter Verleugnung jedes idealen Empfindens
den Wert aller Ereignisse auf Heller und Pfennig zu be-
rechnen weiß.
Und summarisch betrachtet, steht es auch mit unseren Neu-
tralen nicht viel anders. Nirgends ein durchschlagendes Pflicht-
gefühl, das beispielsweise vermocht hätte, die Mächtigen zu ver-
einen, um im Interesse der ganzen Menschheit dem Kriege Grenzen
und Ende zu setzen. Überhaupt Fehlen des Idealismus, dagegen
Pflege des Nützlichkeitssinnes, doch leider nur des kleinartigen,
auf nächste Ziele bedachten. ,,Ich bin neutral, weil mir das im
Augenblicke vorteilhaft und weil Kriege führen überhaupt eine teure
Sache. Einstweilen ziehe ich aus der Neutralität auch manche
Vorteile und hoffe vielleicht beim Schluß des Krieges auf noch