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Bekker, Ernst Immanuel; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1915, 3. Abhandlung): Das Völkerrecht der Zukunft — Heidelberg, 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.34062#0007
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Das Yölkerrecht der Zukunft.

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samt den daraus sic-h ergebenden Konsequenzen, in unserem Völker-
recht vergebiich suchen würde, ist alte Weisheit, aber selten so
deuthch iliustriert wie durch den Weltkrieg. Frankreich, Rußiand,
Engiand begehren, worauf ihnen auch nicht der mindeste Rechts-
titel zusteht: linkes Rheinufer, Vernichtung der Türkei, Zer-
trümmerung vom Deutschen Reiche und von Österreich-Ungarn.
Unserm sogenannten Vöikerrechte fehlen Aufbau und Inhalt
eines wirklichen Rechts. 1hm fehlt schon der Verband, dessen es
zur Grundlage bedürfte, und dessen Organe das Recht zu schaffen
und demnächst zu schützen hätten. Vom Rechte erwarten wir
die Sicherung eines friedlichen Verkehrs, Schutz von Leib, Leben
und jedem ehrlich erworbenen Gut, namentlich der aus Verträgen
entsprossenen Rechte. Von aliem schafft das moderne Völkerrecht
nichts, nur Regein für die Lösung untergeordneter Verkehrsfragen,
mit dem Hinweis auf Schiedsgerichte ohne Zwangsgewalt. Und
bedürfte es eines weiteren ?
Zwei Gedankenreihen scheinen zur Verneinung dieser Frage
zusammengewirkt zu haben. Einmal die aus der alten natur-
rechtlichenDoktrin stammende, daß alles Recht von den Menschen
nicht erst zu schaffen, sondern als gnädige Gottesgabe bereits
vorhanden, und von den Menschen nur eben noch zu finden sei.
Und die des pharisäischen Quietismus, daß wir im Eewußtsein der
errungenen Humanität und ahgemeinen Bildung hoch genug
stünden, um auf die traurigen Roheiten vergangener Tage mit
stummem Achselzucken zurückzublicken. Schwärmerische Seelen
glaubten auch die Kriege schon zum alten Eisen werfen zu sollen.
Und nun dieses ,,bellum omnium contra omnes'S Für unsern
Humanitätsdünkel aber besonders beschämend, daß wenn man den
geistigen Quellen nachforscht, welche den Angriff verursacht
haben, keine anderen zumVorschein kommen, als welche schon
seit Jahrtausenden zu allen großen Eroberungs- und Vernichtungs-
kriegen getrieben haben. Kindlicher Eigennutz, der danach
trachtet, alles an sich zu reißen, was er mit seinen Händen zu
fassen und zu greifen vermeint.
III.
Wie ich früher schon wiederholt dazu gekommen, unserm
Völkerrecht den Charakter des Rechts überhaupt abzusprechen,
mag nach dem Angeführten leicht verständlich erscheinen. Gleich-
 
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