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Bekker, Ernst Immanuel; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1915, 3. Abhandlung): Das Völkerrecht der Zukunft — Heidelberg, 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.34062#0019
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Das Yölkerrecht der Zukünft.

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größere. Sollten sich diese aber auch schon während des Krieges
in Aussicht steilen, so wäre ich wohl auch nicht ahgeneigt usw."
Trostlose Zustände; Religion, Aloral, Recht ausgeschaltet.
Aber vielleicht tritt die ganze Miserabilität am deutlichsten her-
vor, wenn man sieht, wie selbst die bescheidenen kleinen Anforde-
rungen des heutigen ,,Völkerrechts" mißachtet werden. Der zur Zeit
weitaus wichtigste Abschnitt, das ,,Kriegsrecht", tagtäglich verletzt.
Wenigstens werden die Verletzungen von der einen Seite behauptet,
von der andern geleugnet. Über beiden kein Gericht, das ent-
scheiden und eventuell ahnden könnte. Also bleibt dem angeblich
Verletzten nur die Selbsthilfe, Macht wider Macht, Unrecht wider
Unrecht.

VIII.
Wiederum sind wir bei dem unerquicklichen ,,sint ut non
sunt, aut non sint" angelangt. Der gegenwärtige Zustand ist auf
die Dauer unhaltbar, für die Staaten gibt es nur ein Vorwärts
oder Rückwärts. Den allmählichen Verfall, mag dieser nun durch
die Fortschritte der Nationalitäten oder durch das Scheitern ^n
einer zur Zeit noch unerkannten Klippe bedingt sein, mit vagen
Mutmaßungen eingehend zu schildern, haben wir keinen Grund.
Schon oben ist unser optimistisches Bekenntnis abgelegt.
Zur Unterstützung noch zweierlei. So kümmerlich an sich das
moderne ,,Völkerrecht" ist, es zeugt doch, und zumeist da, wo
naturrechtliche Ahnungen seinen Boden bilden, von dem instink-
tiven Drange nach einem begehrenswerten Ziele. In dem vermeint-
lichen Völkerr echte glaubt man schon etwas von dem erwünschten
allgemeinen Völkerfrieden und seinen Segnungen zu verspüren.
Freilich befand man sich einstweilen auf dem falschen Wege; aber
die Korrekturen waren doch nicht ausgeschlossen; und so haben
wir auch oben schon das bestehende Völkerrecht als ersten Ansatz
eines werdenden Staatenrechts genannt. Und zweitens: wenn
auch von wirklichem Fortschritt im Wesen der Staaten zurzeit noch
gar wenig zu spüren, so ist docli auch kein Rückgang ersichtlich.
Die Staaten waren früher nicht besser als sie jetzt sind. Die einzig
wahrhaft erfreuliche Erscheinung, da wo ein Volk opfermutig für
seine Erhaltung kämpft. Übrigens die gleiche kindische Begehrlich-
keit wie in der Gegenwart, die gleiche Nichtachtung aller ferner
liegenden Folgen, und der Mangel an jedem moralischen Gefühl:

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