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Bekker, Ernst Immanuel; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1915, 3. Abhandlung): Das Völkerrecht der Zukunft — Heidelberg, 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.34062#0010
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10

E. 1. Bekker.

der Zusammengehörigkeit und der Ahnung wenigstens, wenn nicht
in AHen, doch in den leitenden Persönlichkeiten, einer Unterord-
nung der Einzelnen unter das Ganze in dem erwachsenen Zusammen-
hange. Ohne dieses geistige Moment gibt es keinen Verband. Die
Abstammung aliein schafft noch keinen; in jedem Kulturstaate
sehen wir heute noch Massen, zumal außerehelich Gezeugter, die
keinem Famiiienverbande angehören, Vereinzelte ohne jeden Zu-
sammenhang mit irgend welcher tatkräftigen Famiiie. Zwischen
diesen Zerstreuten und den zu Familienverbänden Zusammen-
geschlossenen sind nicht wenige Abstufungen, die dann auch unter
den Verbänden selbst nicht aufhören. Bei einigen beschränkt
sich die ganze Tätigkeit auf schwächhcheÄußerungen sympatischer
Gefühle, bei andern steigert sie sich zur mehr oder minder freudigen
Unterstützung hilfsbedürftiger Glieder, und wieder bei andern
führt sie zu Familientagen, welche Stiftungen beschließen, zu
Nutz und Frommen sei es der Familie, sei es größerer Kreise.
Den Familien entsprossen sind alle historisch bedeutsamen
menschlichen Vereinigungen, Stämme, Horden, Völkerschaften,
Völker, Städte, Staaten. Keine durchweg gleiche, fest geregelte
Entwicklung, vielmehr überzwingt bald eine Strömung die andere,
dem Aufschwung folgt Rückgang, aus Gründen, die unseren Augen
oft unerfindlich sind. Nur eine Erscheinung kehrt überall wieder:
daß jedes positive Werden aus dem bleibende Resultate hervor-,
gehen, ein allmähliches sein muß, in welchem das Gestern das
Heute bedingt.

IV.
Bei dem Versuche, ein Bild des zukünftigen Staatenrechtes
zu gewinnen, dürfen alle anderen Einzelheiten abseits liegen bleiben,
uns interessiert nur der Staaten Werdegang: wie wird ein Staat?
Doch kaum ist diese Frage gestellt, so drängt sich auch eine andere
ein: was ist ein Staat? Die naturrechtliche Doktrin ist um eine
präzise Antwort nicht verlegen, doch sobald wir auf die Wirklich-
keit, Gegenwart und Geschichte schauen, erweist sich diese als
unzureichend. Wir sind überzeugt, in einern Staate unter andern
Staaten zu leben; aber neben diesen, irn Innern von Asien, in
Afrika und in Mittel- und Südamerika oder auf den großen fnsel-
gruppen, welche Volksgemeinden sind Staaten? welche Nicht-
staaten? Und weiter: vermögen wir das Geburtsjahr eines jeden
 
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