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Bekker, Ernst Immanuel; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1915, 3. Abhandlung): Das Völkerrecht der Zukunft — Heidelberg, 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.34062#0011
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Das Völkerrecht der Zukunft.

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der modernen Staaten anzugeben ? wann sind Rom, wann Athen,
Sparta, Gräkomakedonien Staaten geworden ? Umgekehrt kennen
wir manche Völkerschaften, wie etwa die Homerischen Heer-
scharen, Relten und Germanen, nach Cäsar und Tacitus schon als
Nichtstaaten; aus ihnen sind zweifehos später Staaten geworden,
aber wann? wodurch? Bei einiger Ehrlichkeit müssen wir zu-
geben, des sicheren Kennzeichens zu ermangeln, das uns die Mög-
lichkeit gäbe, scharfe Grenzlinien zu ziehen. Ganz im Gegenteil
sehen wir drüben Vereinigungen, über deren Nichtstaatlichkeit
kein Zweifel aufkommen kann, dann sanfte Ubergänge, werdende
Staaten, bis endlich hier der Vollstaat hervortritt.
Zuverlässiges Zeichen der Nichtstaatlichkeit ist das Fehlen
des Handlungsvermögens; ein Staat ohne Handlungsfähigkeit
schier undenkbar, zweifellos Keinstaat. Damit ist zugleich gesagt,
daß jeder Staat ein Verband sein muß, und da alle Verbände
handlungsfähig, sehen wir unsere Aufgabe jetzt darauf beschränkt,
zu ermitteln, wodurch der Staat von den übrigen Verbänden sich
unterscheide.
Der durchsc-hneidende Zug im Wesen des Staates liegt wohl
in dem Streben nach oben, Oberherrschaft über andere Verbände
und über Einzelne, und Ablehnung der Unterwerfung. Aus-
nahmen sind hierbei nicht schlechthin unerhört, Vasallenstaaten,
in gewissem Sinne auch bei Bundesstaaten, die aber genau besehen
die Regel auch wieder bestätigen, da sie deutlichst als Ausnahmen
auftreten, die besonderer Begründung und fester Begrenzung
bedürfen. So würde namentlich der Unterworfene aufhören Staat
zu sein, sobald ihm nicht mehr die eigentümliche staatliche Herr-
schaft über seine eigenen Leute, Verbandsgenossen, zuständig
wäre, die gelegentlich auch in Gesetzgebungsakten sich zu äußern
vermöchte.
Dem Streben nach oben entspricht, daß der Staat sich befugt
erachtet, von seinen Angehörigen an Leib, Leben und Besitz
mehr zu fordern als irgend ein anderer Verband. Wogegen er
denn auch von seiner Seite mehr in Aussicht stellt, als ein anderer
zu bieten hätte, Dinge, wie sie sich eben nur mit Staatskräften
verwirklichen lassen. Dadurch, daß sie dies tatsächlich geleistet
haben, sind unsere Staaten die vornehmsten Kulturträger ge-
worden.
Eine unentbehrliche Ergänzung der Selbständigkeit bildet die
Gebietshoheit der Staaten. In manchen Beziehungen die minder
 
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