Metadaten

Bekker, Ernst Immanuel; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1915, 3. Abhandlung): Das Völkerrecht der Zukunft — Heidelberg, 1915

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34062#0012
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
12

E. I. Bekker.

ergiebige Schwester des privaten Grundeigentums, ühertrifft sie
diese doch einmal in der Möglichkeit, von ihrem Herrn, dem Staate,
durch einseitige Akte ausgedehnt werden zu können, und sodann
in der Gewalt, die sie diesem über Menschen und Sachen gewährt,
welche mit dem Gebiete in gewissen Beziehungen stehen.
Endfich mag erwähnt werden, daß, wenn wir auch noch weitab
sind von einem wohlgeordneten Staatensysteme, doch im heutigen
Weltget.riebe nur der als Staat gelten würde, den die andern,
in ihrem Dasein unbestreitbaren Staaten, als ihresgleichen anerken-
nen. Also statt eines, viele Kennzeichen, deren Zusammen-
treffen erst die Staatenbildung zum Abschluß zu bringen vermag.
Afit dieser komplizierten Beantwortung der Frage nach dem
Wesen des Staates ist auch die nach dem Werden bereits gelöst.
Werden muß ein Verband, und dieser muß trachten, anderen gegen-
über ein höherer zu werden. Das Trachten muß von Erfolg sein,
und dieser muß neben dem Erstarken der eigenen Kraft zu dem
Erwerb eines Staatsgebiets, zu der Anerkennung ebenso unserer
Angehörigen wie der neben uns bestehenden Staaten führen;
hüben und drüben müssen wir eben als Staat gelten. Ein langer
Weg bis derVohstaat erreicht. ist: bis dahin werdendeStaaten,
Mehr- und Minderstaaten, eine unzählbare Menge in engstem An-
schluß aneinander, und gleichwohl mannigfaltig verschieden von-
einander, da der Fortschritt in den verschiedenen Bichtungen
durchaus kein übersll gleichmäßiger ist. Zuweifen geht das Streben
über die vorhandenen Kräfte hinaus, bald findet der Jungstaat
mehr Anerkennung von außen als im Innern, bafd gerade um-
gekehrt.
Dazu kommt, daß viele Staatenbiidungsversuche gar nicht
hei dem erwünschten Ziele aniangen, sondern unterwegs stecken
bfeiben, oder ganz zunichte werden. Einem übersichtlichen und
lehrreichen Alikrokosmos der Art begegnen wir im Italien der Re-
naissance. Nur ungern trennt man sich von dem anziehenden,
aber keineswegs erfreulichen Bilde. Was wir als sicheren Gewinn
daraus mitnehmen, ist neben der Relativität der Staaten die un-
begrenzte Mannigfaitigkeit der Gebiide auf dem Wege der zum
Staate zu führen vermöchte.
Nicht ohne Grund ist das Prophezeien in Mißkredit geraten;
doch wird, wer vom Vöikerrecht der Zukunft handeln will, nicht
vermeiden können, Bilder der Zukunft, wie eben er sie sich denkt,
vorzulegen. In Beziehung auf die Staaten gibt wieder der Krieg
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften