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Braune, Wilhelm; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1916, 11. Abhandlung): Reim und Vers: eine wortgeschichtliche Untersuchung — Heidelberg, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.34082#0031
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ReimundVers:

31

spezialisiert wurde zur Benennung eines Teils und ordnet sich damit
ein in eine große Kategorie des Bedeutungswandeis, welche von
A. WAAG, Bedeutungsentwicklung unseres Wortschatzes^ S. 7ff.
ais Werengung des Bedeutungsumfangs' hetiandelt und mit einer
reichen Zahl von Beispiefen belegt wird.
Nun ist aber die gieiche Bedeutungsverschiebung auch auf
dem französischen Sprachgebiete eingetreten. Das altfranz. rinM
(prov. 7V77?, rimn) bedeutete ursprünglich/Vers', das Verbum
7'i^er Werse machen, in dichterischer Form abfassen, dichten'.
Und diese Bedeutung bleibt im Mittelaiter die vorwiegende und
normaie. Aber schon frühe finden sich einzelne Beispiele, durch
weiche die Vcrschiebung der Bedeutung auf den Teimenden'
Schlußteil des Verses bezeugt wird. Und im 16. Jahrhundert, ais
unter dem Einfluß der Renaissancedichtung frz. in seiner
Grundbedeutung voilständig durch ersetzt war, hat es ganz
die Bedeutung 'Reim' angenommen^).
Es liegt deshalb der Schluß nahe, daß die gleiche Bedeutungs-
verschiebung, weiche wir in Deutschland erst soviel später ein-
treten sahen, nicht unabhängig von der in Frankreich schon vorher
volizogenen entstanden sei. Und in der Tat ist die oben S. 27 an-
geführte Definition von rezW aus M. Opitz Poeterei, in weicher
zuerstdieneueBedeutung unzweifelhaft auftritt, eine fastwörtliche
Ubersetzung aus Ronsards Abbrege^). Daß die Bedeutungsverschie-
bunginDeutscbiandnichtautochthon entstand, sondern durch wili-
küriiche Übertragung aus der Fremde hergenommen ist, dafür
spricht auch der hartnäckige Kampf zwischen aiter und neuer Be-
deutung von 7'eiw, welcher wie oben ausgefübrt, sich durch das
ganze 17. Jahrhundert hinzieht.
Ist sonach das Wort re7W erst dnrch den mit der Renaissance-
poesie gesteigerten Einfluß der französischen Dichtung und Vers-
tireorie im 17. Jahrhundert zu seiner allmählich durchgeführten
neuen Bedeutung gekommen, so scheint doch das zugehörige
Verbum 7'eime7Z in der Bedeutungsverschiebung etwas voraus
gewesen zu sein. Puschmann braucht zwar konsequent 7'gfm nur
in der alten Bedeutung, wenn aucb oft vom synonymum C67'.?
^) Meiaem Freunde Fritz Neumann bin ichfürfreundlicheAuskunft
hierüber zu Danke verbunden.
^) La Ryme n'est autre chose qu'une consonance et cadance des syl-
labes, tombantes sur la fin des vers (vgl. M. Opitz, Aristarchus u. Buch von
der d. Poeterei hrsg. v. WiTnowsKi, Leipzig 1888, 8. 175).
 
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