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Dove, Alfred; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1916, 8. Abhandlung): Studien zur Vorgeschichte des deutschen Volksnamens — Heidelberg, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.34079#0031
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Studien zur Vorgeschichte des deutschen Volksnamens.

1

der Barbaren überhaupt aus einzelnen Völkern anschaulich zu
machen. Orosius vernimmt täglich aus Spanien, wo die Westgoten
mit den Vandalen, Aianen und Sueven stritten: geri beila gentium
et agi strages ex alterutro barbarorum; wenn gentes einander be-
kämpfen, bleiben hüben wie drüben Barbaren auf dem Platzeh
In allen solchen Wendungen erscheint der vohkommene Gegensatz
der antinational entwickelten Kultur des römisch-griechischen
Reiches zu der umgebendenAußenwelt in zwiefacher Bekräftigung.
Kein Wunder aber, daß die gewohnte GeseHung aHmähhch
auch wohl zur Vertauschung der Begriffe führte. So lesen wir bei
Prokop Θορί,γγοί. β&ρβκροί. und bei Sokrates οί βάρβαρ u οί χοί-
λούμενοί, Γότβ-οί.^, wo es regelmäßig τό Θορίγγω^ ε&νος und τό
τών Γότ-θων εϋνος heißenmüßte. Nochweit üblicher und zugleich
merkwürdiger aber steht im Lateinischen umgekehrt da, wo gar
nicht mehr an die Völkerschaften als solche, vielmehr einzig an
barbarische Mengen im ahgemeinen gedacht wird, für das fremde
barbari dennoch das einheimische gentes. Mit anderen Worten:
gentes absolut — als Pluraletantum natürlich — heißt auch ein-
fach Mie Barbarenk In diesem Sinne rühmt Jordanis, daß die
Goten auf Alarichs Geheiß Rom nur geplündert, nicht jedoch
nach Barbarenart — ut solent gentes — in Brand gesteckt; ja er
bezeichnet die germanischen Untertanen Odoakers, obwohl er
weiß, daß es bloße Völkerfragmente waren, trotzdem einmal als
gentes^, d. h. als Barbaren. Justinian verordnet nach der Wieder-
^ H. VII, 43, 15. — Bezeichnend sind auch die Ausdrücke, in denen
Augustin (de civit. Dei XX, 11) den Irrtum bekämpft, als seien unter den
gentes Gog und Magoy der Apokolypse (20, 7) notwendig Barbaren zu ver-
stehen: gentes quippe istae, quas appellat Gog et Magog, non sic sunt acci-
piendae, tanquam sint aliqui in aliqua parte terrarum barbari constituti, sive
quos quidam suspicantur Getas et Massagetas, sive aliquos alios alienigenäs
et a Romano jure sejunctos.
2 ZEuss 354; 412.
^ Get. 156; 243; cf. 242; Rom. 344. Andere Beispiele s. in MoMMSENS
Edition, Index IV p. 188 s. v. gens. Wie wir dieser musterhaften Ausgabe
überhaupt die reichste Belehrung verdanken, so sind insbesondere die vor-
züglich angelegten Indices zu rühmen. Artikel, wie gens, genus, natio, popu-
lus kiären durch ihre Analysen über den Sprachgebrauch jener ganzen Periode
auf, von dem sich Jordanis kaum, wie DAHN (Könige der Germanen II, 243)
meint, durch eigentümliche Konfusion der verschiedenen Volksbegriffe merk-
lich entfernt. — Daß übrigens gentes für barbari schon bei Tacitus nicht unge-
wöhniich, ist bekannt; s. Germ. 33; für die älteste Stelle gilt bell. Hisp. 17,
wo der Gegensatz gentes : cives u. a. Caesar selber in den Mund gelegt wird.
 
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