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Dove, Alfred; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1916, 8. Abhandlung): Studien zur Vorgeschichte des deutschen Volksnamens — Heidelberg, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.34079#0040
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ALFRED DOVE:

lebendigere Entwicklung hinter sich gehabt. Da es nun auch des-
halb mit gens in bei weitem vielseitigere Berührung gerät, so
dürfte eine eingehende Erörterung derjenigen Geltung am Platze
sein, welche das Wort in den Tagen der Völkerwanderung über-
haupt besaß. Demnach verstand man unter populus eine Men-
schenmenge von gleichgültiger innerer Zusammensetzung, aber
bestimmter Umgrenzung nach außen, mochte die letztere nun
mehr mechanisch durch bloß räumliche oder andere zufälbge Ver-
hältnisse bedingt sein, oder aber, was die Regel ist, lnehr organisch
auf den engeren oder weiteren Kreisen der öffentlichen Ordnung,
den mehr oder minder dauerhaften Formen des Gemeinlebens
beruhen. In jenem Fall ist populus etwa die Menge in den Straßen
der Großstadt, das Publikum im Zirkus, die Bevöfkerung eines
Landstriches, ein Schwarm von Einwanderern; während populi,
nach ebenso mechanisch gedachter Einteilung, Wolksmassen' in
ähnlicher Situation bezeichnet^. Ungleich häufiger indes heftet
sich, wie gesagt, der Ausdruck an die beständigen Gebilde des
historischen Daseins: populus ist und bleibt nach altrömischem
Muster das den Staat im ganzen ausmachende Volk; zugleich
jedoch führt die zu einer besonderen Gemeinschaft innerhalb des
Staates verbundene Abteilung des Volkes den nämlichen Titel,
so daß sich der große populus in kleinere populi gliedert. Auch
in letzterer Hinsicht liegen natürlich die besonderen Verhältnisse
des römischen Weltreiches der allgemeinen Anschauung zugrunde:
populi sind zunächst die ehedem souveränen politischen Verbände
der nunmehrigen, in der Regel städtisch konzentrierten, Lokal-
gemeinden, aus deren Summe die Reichsbevölkerung sich zusam-
menfügt^. Auch die politisch gefärbte Vorstellung des populus

^ Populus in Konstantinopel Jord. Rom. 366; dafür populi diversarum
gentium, Get. 143; populus ebendort, abwechselnd mit plebs, Mareehin. com.
(Ronc. 11, 284); populi in Tours Greg. Tur. II, 38; populus im Circus Jord.
Get. 171; populus regionis illius, Gesta reg. Franc. 38; confiuentibus certatim
gentium memoratarum catervis grandescere coepit populus advenarum,
Beda, h. eccl. I, 15. — Um ebenso zufällige Gestaltungen handelt es sich in
Wendungen wie: multis diu Scottorum Pictorumque populis memorabile
mansit (monasterium), ib. V, 9; multo populo Romanorum prostrato, multum
populum Romanorum occiderunt, Gesta reg. Franc. 5; 8; Attilas Söhne
paene populus, Jord. Get. 259 usw.
2 Isid. Hisp. differentiar. I. I, 450: inter populum et populos; cum
enim populos numero plurali dicimus, urbes significamus, cum populum,
unius multitudinem civitatis intelligimus. -—- Cod. I, 1, 1; ad populum urbis
 
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