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Dove, Alfred; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1916, 8. Abhandlung): Studien zur Vorgeschichte des deutschen Volksnamens — Heidelberg, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.34079#0053
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Studien zur Vorgeschichte des deutschen Yoiksnamens.

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oder gens im Singular ein einzeines Volk ohne weiteres als heid-
nisches charakterisiert werden. Daher sind denn auch hier wieder
die Ableitungen: έ9νί.χός und gentilis 'heidnisch\ gentilitas 'Hei-
dentum' oder 'Heidenschaft', zwar nicht grammatisch, wohi aber
logisch unter allen Umständen auf piurale Stammhegriffe zurückzu-
führen^. Das heidnische Individuum wird griecbisch durch das
substantivierte ebvt.x6q bezeichnet, was man ins Latemische zu-
nächst direkt als ethnicus herübernahm; doch üherwiegt auch hier
bald die heimische Form, und die kirchlichen Schriften wimmeln
allenthalben von Erwähnungen der gentiles ais der einzelnen
Heidenleute. Gentiiitas endlich schwankt, wie berührt, zwischen
abstrakter und konkreter BedeutungF Um diese verschiedenen

* Eine, so pedantisch oder auch triviai sie manchem Leser vorkommen
mag, trotzdem für den Gegenstand dieser Untersuchung erhebliche Bemerkung,
deren Unterlassung, wie sich noch zeigen wird, der richtigen Erklärung des
Namens 'deutsch' bisher arn meisten im Wege gestanden. Grammatisch
geschieht die Ableitung natürlich allemal vom Wortstamm selbst und also,
wenn man dabei überhaupt vom Numerus reden dürfte, vom Singular des
Stammwortes aus. Logisch dagegen ist ebensowohl die Beziehung auf das
Stammwort in der Mehrzahl möglich. 'Französisch' und 'griechisch' heißt
aiierdings zunächst und gewöhnlich: 'was zum Franzosen, zum Griechen
gehört'; bei der 'französischen Armee', der 'griechischen Literatur' denkt
dagegen jeder an 'die Franzosen, die Griechen'. Einem Pluraletantum als
Stammwort gegenüber kann nun offenbar nur von einer solchen Auffassung
der Derivata die Rede sein. Nicht bloß 'elterlich', das wirklich erst modern
von 'Eltern' gebildet worden, erinnert uns ausschließlich an die parentes;
auch 'leutselig' führt heutzutage, nachdem wir den Singuiar verloren haben,
jedermann im Gedanken auf 'die Leute' zurück. So lag denn auch beim
Gebrauche von έ-&νίχός für 'heidnisch', von gentilis für 'heidnisch' wie für
'barbarisch' keinem Menschen etwas anderes im Sinn, als der Pluralbegriff
τά έ&νη oder gentes. Vgl. o. S.32, A. 2.
s Noch die Vulgata hat ethnici und ethnicus (Mat. 5, 47; 6, 7; 18, 17),
dagegen für έ&νίχώς gentiliter (Gal. 2, 14). Desto häufiger dient indes gen-
tifis irn Singuiar und Plural als Äquivaient für "Ελλην und "Ελληνες (Gal.
2, 3; Koi. 3, 11; Apg. 16, 1; 3; 17, 4; 19, 10; 17 usf.), wovon unten Näheres,
und im Plural außerdem zur Wiedergabe von έ&νη selbst, wo dies ein kieineres
Bruchstück der Heidenschaft, eine Anzahi Heiden vor Augen führt (Apg.
14, 5; Röm. 15, 27). In beiden Funktionen hat es jedoch, wie man aus SABA-
TiER ersieht (und wie mir von kundigster theologischer Seite bestatigt wird)
erst die Lesarten Graecus, Graeci und gentes der älteren Übersetzungen
verdrängt. Einzig jenes Adverb (Gal. 2, 14) scheint nie anders, ais gentiiiter
gelautet zu haben; aus welchem besonderen Grunde, werden wir noch berüh-
ren (u. S. 68, A. 1). — Im Singuiar ist übrigens gentilis, wie im barbarischen,
so auch im heidnischen Sinn als Substantiv höchst selten (Ratbodem gentilem,
 
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