Studien zur Yorgeschichte des deutschen Yolksnamens.
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bezeichnung des Voikes schließenh Nicht minder erhellt der hohe
Wert, der lebhafte Gebrauch und vor allen Dingen der bestimmte
Gedankengehalt des Ausdruckes thiuda aus einer Reihe Amn Ab-
leitungen, durch welche der Charakter des gentilen Staatswesens
greifbar vergegenwärtigt wird. Thiudans Riönig\ thiudanon
'König sein, herrschen', thiudinassus 'Königsherrschaft, König-
reich', thiudangardi 'Königreich, Königshaus' führen uns sämtlich
das Volkskönigtum der Wanderzeit in seinem ethnischen Ursprung,
Zweck und Ansehen, die enge Zusammengehörigkeit von gens,
rex und regnum vor Augen. Dazu kommt zuguterletzt eine statt-
liche Reihe von Eigennamen, die mit thiuda zusammengesetzt
sind, Theoderich an der Spitze; teils den Mitgliedern der Herr-
scherhäuser bei Ost- und Westgoten, teils Privatpersonen beige-
legt, dienten sie überall dazu, die tausendfältige Beziehung des
Einzelnen zumWlke, zur Nation, in frischer Erinnerung zu erhaltenh
AlaterieH bezieht sich in jenen Kalendernotizen der Name
Gut-thiuda auf die Westgoten allein, was jedoch zugfeich formell
durchaus in der Ordnung ist. Denn das ε-9-νος oder die gens bedarf
ja außer der nationalen Grundlage noch der sefbständigen politi-
schen Einheit. Demgemäß haben West- und Ostgoten zum minde-
stj^n seit der Epoche des Hunnensturmes, d. h. solange, als wir
übaidiaupt historisch näher um sie Bescheid wissen, beständig
zwe%,besondere Gotenvölkerschaften gebildet. Aus alfen Quelfen
geht ferner übereinstimmend hervor, daß sich beide sefber in der
Regef einfach Goten genannt haben, während die differenzierten
Bezeichnungen eben nur zur gelegentlichen Unterscheidung dien-
ten^. Es ist deshalb durchaus wahrscheinlich, daß sich die Ost-
i ZEUss (S.134vgl.514) meinte deshalb sogar die griechische und latei-
nische Schreibung des gotischen Yolksnamens mit tth oder th aus dem Klange
des regelmäßig vernommenen Gut-thiuda herleiten zu dürfen, wie das aus-
ländische d in 'Schweden' auf das heimische Svithiodh — Swienvoik zurück-
gehe.
^ S. z. B. das Namensverzeichnis bei DAH?\, Könige VH, 702f. — Den
in der Hunnenschlacht gefallenen Westgotenkönig soilte man übrigens nicht
mehr Theoderich nennen, nachdem der wahre NameTheoderid, wie früher
aus Isidor, nunmehr auch aus Jordanis (ed. MoMMSEN p. 145) absoiut fest-
steht. Als Theoderich der Westgote ist dagegen der zweite Sohn und Nach-
folger Theoderids zu bezeichnen; Jordanis nennt allerdings auch diesen meist
Theoderid, hat jedoch an der wichtigsten Stelle (Get. 190) Theodericus, womit
außer Isidor auch Paulus (h. Rom. 14, 19) entscheidend übereinstimmt.
s Daß auch amtiich beiderseits von 'Goten' schlechthin gesprochen
ward, bezeugen die Yarien Cassiodors wie die westgotischen Gesetze. Die
Sitzungsberichted. Heidelb.Akad., phH.-hist.KL 1916. g.Abh. 5
65
bezeichnung des Voikes schließenh Nicht minder erhellt der hohe
Wert, der lebhafte Gebrauch und vor allen Dingen der bestimmte
Gedankengehalt des Ausdruckes thiuda aus einer Reihe Amn Ab-
leitungen, durch welche der Charakter des gentilen Staatswesens
greifbar vergegenwärtigt wird. Thiudans Riönig\ thiudanon
'König sein, herrschen', thiudinassus 'Königsherrschaft, König-
reich', thiudangardi 'Königreich, Königshaus' führen uns sämtlich
das Volkskönigtum der Wanderzeit in seinem ethnischen Ursprung,
Zweck und Ansehen, die enge Zusammengehörigkeit von gens,
rex und regnum vor Augen. Dazu kommt zuguterletzt eine statt-
liche Reihe von Eigennamen, die mit thiuda zusammengesetzt
sind, Theoderich an der Spitze; teils den Mitgliedern der Herr-
scherhäuser bei Ost- und Westgoten, teils Privatpersonen beige-
legt, dienten sie überall dazu, die tausendfältige Beziehung des
Einzelnen zumWlke, zur Nation, in frischer Erinnerung zu erhaltenh
AlaterieH bezieht sich in jenen Kalendernotizen der Name
Gut-thiuda auf die Westgoten allein, was jedoch zugfeich formell
durchaus in der Ordnung ist. Denn das ε-9-νος oder die gens bedarf
ja außer der nationalen Grundlage noch der sefbständigen politi-
schen Einheit. Demgemäß haben West- und Ostgoten zum minde-
stj^n seit der Epoche des Hunnensturmes, d. h. solange, als wir
übaidiaupt historisch näher um sie Bescheid wissen, beständig
zwe%,besondere Gotenvölkerschaften gebildet. Aus alfen Quelfen
geht ferner übereinstimmend hervor, daß sich beide sefber in der
Regef einfach Goten genannt haben, während die differenzierten
Bezeichnungen eben nur zur gelegentlichen Unterscheidung dien-
ten^. Es ist deshalb durchaus wahrscheinlich, daß sich die Ost-
i ZEUss (S.134vgl.514) meinte deshalb sogar die griechische und latei-
nische Schreibung des gotischen Yolksnamens mit tth oder th aus dem Klange
des regelmäßig vernommenen Gut-thiuda herleiten zu dürfen, wie das aus-
ländische d in 'Schweden' auf das heimische Svithiodh — Swienvoik zurück-
gehe.
^ S. z. B. das Namensverzeichnis bei DAH?\, Könige VH, 702f. — Den
in der Hunnenschlacht gefallenen Westgotenkönig soilte man übrigens nicht
mehr Theoderich nennen, nachdem der wahre NameTheoderid, wie früher
aus Isidor, nunmehr auch aus Jordanis (ed. MoMMSEN p. 145) absoiut fest-
steht. Als Theoderich der Westgote ist dagegen der zweite Sohn und Nach-
folger Theoderids zu bezeichnen; Jordanis nennt allerdings auch diesen meist
Theoderid, hat jedoch an der wichtigsten Stelle (Get. 190) Theodericus, womit
außer Isidor auch Paulus (h. Rom. 14, 19) entscheidend übereinstimmt.
s Daß auch amtiich beiderseits von 'Goten' schlechthin gesprochen
ward, bezeugen die Yarien Cassiodors wie die westgotischen Gesetze. Die
Sitzungsberichted. Heidelb.Akad., phH.-hist.KL 1916. g.Abh. 5