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Dove, Alfred; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1916, 8. Abhandlung): Studien zur Vorgeschichte des deutschen Volksnamens — Heidelberg, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.34079#0068
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ALFRED DOVE:

Übersetzung keinerlei Variante findet; während sonst dem gentilis
und gentiles bei Hieronymus in der Itala regelmäßig Graecus,
ethnici oder gentes entsprichth Man sieht: von vornherein, noch
ehe das Adjektiv gentilis in der Bedeutung 'heidnisch' in Übung
war, ward hier unmittelbar aus gentes selbst das Adverb gentili-
ter in jener Bedeutung entwickelt, um auch im lateinisdhen Text
der strengen Proportion des griechischen Satzes — Ίου&χΐος :
Ίουδχϊχώς = τά έ&νη : έβνί,χώς — gerecht zu werden.
Auf dieselbe Weise nun ist auch Ulfifas verfahren, mit dem
einzigen Unterschiede, daß ihn die nämliche Folgerichtigkeit der
Redeform nicht bloß zur neuen Verwendung eines vorhandenen
Ausdruckes, sondern geradehin zur Schöpfung eines noch man-
gelnden bewog; eine Nötigung, der er sich auch sonst, wie jeder
treue Übersetzer in seiner Lage, nach dem Urteil der Ivenner nicht
immer zu entziehen vermocht hat. In dem gotischen Satze, wie er
ihn Zug für Zug dem griechischen nachbildete: jabai thu Judaius
visands thiudisko libais jah ni judaivisko, hvaiva thiudos baideis
judaiviskon? war das Wagnis einer solchen Schöpfung wahrlich
nicht groß. So wenig, wie die gleichfalls einzig hier vorkommende
und unzweifelhaft ebenso nach dem augenblicklichen Bedarfe
geschaffene Verbalform judaiviskon = 1ου$ο:ΐζεί.ν, konnte das
frisch, aber regelrecht gestaltete Adverb thiudisko = έ&νίχώς in
diesem Zusammenhang undeutlich bleiben. Eben dieser Zusam-
menhang, die aus Parallele und Gegensatz doppelt zwingend zu-
sammengesetzte Verhältnisgleichung, geht nun den anderen
Stellen, wo es die Übersetzung ιωη ol έΑνίχοί galt, völlig ab;
deshalb heß sich dort die analoge Neuschöpfung eines Adjektives
thiudisks nicht unternehmen. AVollte nun jernand einwerfen, daß
aus demselben Grunde an eben jenen Stellen vielleicht auch bloß
die ungewohnte Anwendung eines dennoch vorhandenen, nur mit
anderer Bedeutung ausgestatteten thiudisks unrätlich erscheinen
mochte — das von uns selber angezogene Beispiel der Itala eröffne
diesen Ausweg — so ist die Möglichkeit eines derartigen Herganges
freilich nicht abzuleugnen; allein wenigstens von irgendwelcher
AVahrscheinlichkeit kann angesichts der geschmeidigen Art, mit
welcher sich das Gotische des Ulfilas dem griechischen Texte an-
zuschmiegen pflegt, durchaus nicht die Rede sein. Ein gesundes
Urteil, das sich besonnen auf den gegebenen Tatbestand stützt,

i 8. o. S. 53, A. 2.
 
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