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Dove, Alfred; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1916, 8. Abhandlung): Studien zur Vorgeschichte des deutschen Volksnamens — Heidelberg, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.34079#0070
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70

ALFRED DOVE:

gular auszuführen gewesen wärenh Sei dem jedoch, wie ihm wolle:
zu einem ausgedehnten und nachhaltigen Umlauf ist thiudisks,
falls es üherhaupt im Sinne von gentilis = 'heidnisch' in Bewegung
kam, schon deshalb kaum gelangt, weif ihm alsbald durch eine
Iionkurrenzbildung, die sich an das lateinische paganus anlehnte,
der Weg verlegt ward.
Als Ulfilas starb, i. J. 381, war paganus bereits ahgemein
üblich, doch trug es andererseits noch sehr bestimmt jene aktuelle
Färbung zur Schau, vermöge deren es die widerspenstigen, hinter
dem christlichen Zeitgeiste zurückgebliebenen Heiden der damaligen
Iiulturwelt kennzeichnete. Schon deswegen vermochte der große
Ubersetzer für sein Bibelwerk keinen Vorteil daraus zu ziehen,
wie es denn auch in der Vulgata nirgends Unterkunft gefunden.
Es nur für eine einzige Stelfe zu benutzen, konnte Ulfilas vollends
nicht in den Sinn kommen; wenn er es überhaupt für brauchbar
erachtete, mußte es ihm hier wie dort willkommen sein. Man hat
es daher mit Recht als eine Änderung von jüngerer Hand be-
trachteU, daß sich Marcus 7, 26 für 'Ελληνίς das gotische haithno,
die Heidin, findet; eine unstreitig auf pagana zurückweisende
Form, da haithi 'die Heide, das freie Feld', nicht übel mit pagus
'dern platten Land' auf eine Stufe gestellt werden mochte. Un-
mittelbar neben Έλληνίς steht im Urtext Συροφοί.νίχίσσκ; es
konnte mithin der nationale Schein in dem hellenischen Heiden-
namen in der Nachbarschaft der echten Volksbezeichnung als be-
sonders störend auffallen. In der Vulgata ward daher ein älteres
Graeca durch gentilis ersetzt; irgend ein späterer Gote glaubte
dagegen durch jenes, in mündlicher Rede wahrscheinlich längst
vorhandene Wort für pagana nachhelfen zu müssen. Durch eine
Hintertür ward dergestalt in die Literatur ein Wortgebilde einge-
iassen, von dessen rüstiger Wanderung in mündlichem Verkehr
die Tatsache seiner Verhreitung über alle altgermanischen Dialekte
Zeugnis ablegt. Da nämlich die Gleichsetzung des pagus gerade
mit der Heide doch keineswegs als selbstverständlich auf der Hand
liegt — hei direkter Übertragung wäre auch im Gotischen eher
eine Ableitung von gavi 'Gau' zu erwarten gewesen, welches bei
Filfilas für das mit pagus übereinkommende χώρκ oder regio zu
^ Leider verhindert uns eine Lücke, zu sehen, ob Uifilas Mat. 18, 17
ό έ-&νίχός in der Tat durch sa thiudo wiedergegeben; höchst wahrscheinlich
bleibt es immer.
^ S. BERNHARDT, A'uffila S. 288 A.
 
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