Studien zur Vorgeschichte des deutschen Yoiksnamens.
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stehen pflegt — so ist an eine unabhängige Wiederholung der
identischen Wiedergabe des lateinischen paganus bei Deutschen,
Angelsachsen und Skandinaviern nicht zu denken^. Der gemein-
germanische Heidenname muß vielmehr, nachdem er ein für alle-
mal bei den christlichen Goten aufgekommen, allmählich m die
übrigen verwandten Dialekte übergegangen sein; was auch sonst
in kirchlichen Dingen nicht ohne Beispiel ist.
Ein wenig schief, wie jenerName, vergliclien mit dem lateini-
schen Urbilde, von Haus aus gezeichnet war, schickte er sich nun
aber desto besser zum allgemeinen Ausdruck für den Heiden-
begriff schlechthin innerhalb der barbarischen Lebenskreise. Die
Erinnerung an die Heide rief, solange sie überhaupt noch wirksam
blieb, in erster Linie die Idee des wildwüchsigen wach; aus dem
romanischen Bauer, wie er in paganus verkörpert gewesen, ward
im germanischen 'Heiden' so gewissermaßen der in derÖde schwei-
fende Mensch, auf den nun wieder der bekehrte Ackersmann mit
dem gleichen kirchlich-sozialen Selbstgefühl, wie dort der Städter
des Reiches auf den rohen Kolonen, herabsehen konnte. Man wird
dergleichen Ideenassoziation natürlich nicht überschätzen dürfen;
soviel jedoch leuchtet ein, daß in diesem germanischen paganus
zugleich ein befriedigender Ersatz für gentilis in seinem gewöhn-
lichen Werte gegeben war. Es mochte sich mithin ein gotisches
thiudisks, wofern es wirklich jemals zum Vorschein gekommen,
hinterher um so leichter in den bescheidensten Grenzen der An-
wendung halten. Und wenn uns hernach, ein einziges Mal in der
Germanenwelt — bei der Bildung des deutschen Volksnamens —
in der Tat eine entsprechende Adjektivform theodisc begegnet,
die wir nicht umhin können, ebenfalls durch gentilis = 'völker-
mäßig' d. h. 'heidnisch' auszulegen, so liegt doch auch darin kein
zwingender Beweis für die Präexistenz eines gotischen Eigen-
schaftswortes von der nämlichen Form und Bedeutung. Denn
hierbei handelt es sich, sehr verschieden von dem Vorgange bei
paganus, um eine direkte, wörtliche Übersetzung, die auch bei
selbständiger Unternehmung nicht zu verfehlen war. Wie thiudai
für έΕνη notwendig auf thiudisko für έΕνί,χώς geführt, so mußte
ebenso unausweichlich, wenn man einmal aus besonderem An-
lasse neben theodä = gentes speziell ein altdeutsches gentilis
haben wollte, jenes theodisc dafür geschaffen werden.
i S. KLUGE, Etym. Wtb. S.129; vgl. J.FRANCK imAnzeigerfür deutsches
Altertum XI S. 6.
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stehen pflegt — so ist an eine unabhängige Wiederholung der
identischen Wiedergabe des lateinischen paganus bei Deutschen,
Angelsachsen und Skandinaviern nicht zu denken^. Der gemein-
germanische Heidenname muß vielmehr, nachdem er ein für alle-
mal bei den christlichen Goten aufgekommen, allmählich m die
übrigen verwandten Dialekte übergegangen sein; was auch sonst
in kirchlichen Dingen nicht ohne Beispiel ist.
Ein wenig schief, wie jenerName, vergliclien mit dem lateini-
schen Urbilde, von Haus aus gezeichnet war, schickte er sich nun
aber desto besser zum allgemeinen Ausdruck für den Heiden-
begriff schlechthin innerhalb der barbarischen Lebenskreise. Die
Erinnerung an die Heide rief, solange sie überhaupt noch wirksam
blieb, in erster Linie die Idee des wildwüchsigen wach; aus dem
romanischen Bauer, wie er in paganus verkörpert gewesen, ward
im germanischen 'Heiden' so gewissermaßen der in derÖde schwei-
fende Mensch, auf den nun wieder der bekehrte Ackersmann mit
dem gleichen kirchlich-sozialen Selbstgefühl, wie dort der Städter
des Reiches auf den rohen Kolonen, herabsehen konnte. Man wird
dergleichen Ideenassoziation natürlich nicht überschätzen dürfen;
soviel jedoch leuchtet ein, daß in diesem germanischen paganus
zugleich ein befriedigender Ersatz für gentilis in seinem gewöhn-
lichen Werte gegeben war. Es mochte sich mithin ein gotisches
thiudisks, wofern es wirklich jemals zum Vorschein gekommen,
hinterher um so leichter in den bescheidensten Grenzen der An-
wendung halten. Und wenn uns hernach, ein einziges Mal in der
Germanenwelt — bei der Bildung des deutschen Volksnamens —
in der Tat eine entsprechende Adjektivform theodisc begegnet,
die wir nicht umhin können, ebenfalls durch gentilis = 'völker-
mäßig' d. h. 'heidnisch' auszulegen, so liegt doch auch darin kein
zwingender Beweis für die Präexistenz eines gotischen Eigen-
schaftswortes von der nämlichen Form und Bedeutung. Denn
hierbei handelt es sich, sehr verschieden von dem Vorgange bei
paganus, um eine direkte, wörtliche Übersetzung, die auch bei
selbständiger Unternehmung nicht zu verfehlen war. Wie thiudai
für έΕνη notwendig auf thiudisko für έΕνί,χώς geführt, so mußte
ebenso unausweichlich, wenn man einmal aus besonderem An-
lasse neben theodä = gentes speziell ein altdeutsches gentilis
haben wollte, jenes theodisc dafür geschaffen werden.
i S. KLUGE, Etym. Wtb. S.129; vgl. J.FRANCK imAnzeigerfür deutsches
Altertum XI S. 6.