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Dove, Alfred; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1916, 8. Abhandlung): Studien zur Vorgeschichte des deutschen Volksnamens — Heidelberg, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.34079#0074
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74

ALFRED DüVE:

nannte gotische, sprächen — φ(.ΰνή τε αύτοΐς έστί. μίκ, ΓοτΤί-χη
λεγομένη — worin er das Anzeichen einer ehemaligen ethnischen
Einheit erblickt^. Inwieweit diese Angabe in bezug auf den Namen
der Gesamtsprache auf Wahrheit beruht, muß dahingestellt bleiben.
Selbst ein gotischer Gewährsmann des Byzantiners mochte von
den AAndalen eher sagen, sie redeten dieselbe Zunge wie die Goten,
als geradezu, daß sie gleichfalls gotisch sprächen. Auf jeden Fall
erkennt man aber hieraus erst recht die mögliche Inkongruenz der
sprachlichen Besonderheit und der gentilen Selbständigkeit im
Sinne der Wanderzeit. Es war wohl überall, wie Augustinus ein-
mal sagtE auctus est autem numerus gentiummulto amplius, quam
linguarum; nam et in Africa barbaras gentes in una lingua plurimas
novimus. Unter solchen Umständen wird der Gote gerade im Hin-
blick auf die Sprache den Antrieb zur Schöpfung eines Adjektives
thiudisks schwerlich empfunden haben. Doch ist es ebenso miß-
lich, wie unnötig, hier mit Wahrscheinlichkeiten zu rechnen: genug,
daß uns auch nicht der Schatten einer derartigen Wendung aus
gotischen Tagen überliefert ist.

VI.
Zwischen dem Moment, in welchem Ulfilas bei der Übersetz-
ung jenes Verses im Galaterbrief das Adverbium thiudisko er-
sann, und dem ersten literarischen Auftauchen des Namens Theo-
disca lingua liegen mehr als vier Jahrhunderte. Die deutschen
Stämme, deren gemeinsame Sprache in einem annalistischen
Bericht über den Reichstag zu Ingelheim vom Jahre 788 mit die-
sem Namen belegt wird, hatten freilich noch kurz zuvor großen-
teils in Zuständen gelebt, welche sich von denen der Wölkerschaf-
ten^ der Wanderzeit kaum wesentlich unterschieden: in Hessen
und Thüringen, bei den Sachsen und Friesen, hätte Ulfilas an der
Seite des Bonifaz die Welt dort außen nicht allzusehr verändert
gefunden. Allein jene Stämme gehörten doch andererseits eben
nun insgesamt, und eimge von ihnen seit manchem Menschenalter,
^ B. Goth. IV, 20. ZEUss sieht das Γοτ&ίχά έ&νη für eine von Prokop
'seibst erfundene Benennung' an und betont die Verschiedenheit der vandaii-
schen und gotischen Mundart; doch haben Belisars Dolmetscher in letzterer
Hinsicht wahrscheinlich anders geurteilt.
^ De civ. Dei XVI, 6.
 
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