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R. Reitzenstein:
durch den neuen Fund von Prof. Andreas muß man in der Tat
auf den Gedanken kommen, daß auch hier eine mythologische
Vorstellung und Dichtung zugrunde liegt.
Der Leser wird dies am besten empfinden, wenn ich einmal
die beiden am stärksten voneinander abweichenden Fassungen
einander gegenüberstelle, den Bericht des Alexander von Lyko-
polis und den des Theodor bar Khöni. Alexander (cap.2.3 Brink-
mann) beginnt, wie alle zusammenhängenden Darstellungen der
Lehre des Mani, zunächst mit einer Gegenüberstellung der beiden
sich entgegengesetzten Prinzipien, Gottes und der Materie (ύλη).
Die ύλη empfand Begierde nach der oberen Lichtwelt, wollte sie
erobern und den Gott aus ihr vertreiben. Er wollte sie strafen,
konnte aber dazu hei seiner absoluten Güte kein Übel verwenden.
So sendete er eine Kraft, die wir Seele nennen, damit sie sich ganz
mit der ύλη vermische, in dem Gedanken, daß wenn sich beide
dereinst wieder scheiden müßten, dies den Tod der ύλη bedeuten
würde. Bei der vollkommenen Mischung der ungleichartigen
Substanzen ύλη und ψυχή trug notwendig letztere die mit dem
schlechten Wesen der ersteren verbundenen Leiden mit und ver-
schlechterte sich. Daher sandte der Gott eine andere Kraft, die
wir den Demiurgen nennen. Unter seiner Einwirkung schied
sich beim Beginn der Weltschöpfung der reiner gebliebene Teil
der ψυχή aus und ward zu Sonne, Mond und Gestirnen; der stärker
vermischte blieb in der unteren Welt; die ganz hylischen Elemente
wurden in eine unterirdische Feuerwelt versenkt. Die weitere
Schilderung geht dann bis zur Erschaffung des Menschen, der
unter Einwirkung eines menschenähnlichen göttlichen Bildes in
der Sonne von der Materie, die es nachahmen will, aus besonders
viel des übriggebliebenen Lichtstoffes gebildet wird. Ich gehe
auf diesen Teil nicht mehr ein, sondern stelle dem ersten Abschnitt
gleich den Bericht des Theodor bar Khöni gegenüber. Vor Himmel
und Erde und allem, was in ihnen ist, gab es zwei Prinzipien,
das gute und das böse; das gute hieß Vater der Größe und wohnte
in dem Lichtreich, das böse Fürst der Finsternis und wohnte in
dem Erdendunkel. Es beschloß zu dem Lichte aufzusteigen und
die fünf Regionen des Lichtreiches zitterten vor ihm. Der Vater
der Größe (der oberste Gott) wollte sie dein Krieg nicht aus-
setzen, weil sie nur für den Frieden geschaffen waren, und beschloß,
selbst dem Widersacher entgegenzuziehen. Er schuf aus sich die
Mutter der Lebendigen und den ersten Menschen, der wieder
R. Reitzenstein:
durch den neuen Fund von Prof. Andreas muß man in der Tat
auf den Gedanken kommen, daß auch hier eine mythologische
Vorstellung und Dichtung zugrunde liegt.
Der Leser wird dies am besten empfinden, wenn ich einmal
die beiden am stärksten voneinander abweichenden Fassungen
einander gegenüberstelle, den Bericht des Alexander von Lyko-
polis und den des Theodor bar Khöni. Alexander (cap.2.3 Brink-
mann) beginnt, wie alle zusammenhängenden Darstellungen der
Lehre des Mani, zunächst mit einer Gegenüberstellung der beiden
sich entgegengesetzten Prinzipien, Gottes und der Materie (ύλη).
Die ύλη empfand Begierde nach der oberen Lichtwelt, wollte sie
erobern und den Gott aus ihr vertreiben. Er wollte sie strafen,
konnte aber dazu hei seiner absoluten Güte kein Übel verwenden.
So sendete er eine Kraft, die wir Seele nennen, damit sie sich ganz
mit der ύλη vermische, in dem Gedanken, daß wenn sich beide
dereinst wieder scheiden müßten, dies den Tod der ύλη bedeuten
würde. Bei der vollkommenen Mischung der ungleichartigen
Substanzen ύλη und ψυχή trug notwendig letztere die mit dem
schlechten Wesen der ersteren verbundenen Leiden mit und ver-
schlechterte sich. Daher sandte der Gott eine andere Kraft, die
wir den Demiurgen nennen. Unter seiner Einwirkung schied
sich beim Beginn der Weltschöpfung der reiner gebliebene Teil
der ψυχή aus und ward zu Sonne, Mond und Gestirnen; der stärker
vermischte blieb in der unteren Welt; die ganz hylischen Elemente
wurden in eine unterirdische Feuerwelt versenkt. Die weitere
Schilderung geht dann bis zur Erschaffung des Menschen, der
unter Einwirkung eines menschenähnlichen göttlichen Bildes in
der Sonne von der Materie, die es nachahmen will, aus besonders
viel des übriggebliebenen Lichtstoffes gebildet wird. Ich gehe
auf diesen Teil nicht mehr ein, sondern stelle dem ersten Abschnitt
gleich den Bericht des Theodor bar Khöni gegenüber. Vor Himmel
und Erde und allem, was in ihnen ist, gab es zwei Prinzipien,
das gute und das böse; das gute hieß Vater der Größe und wohnte
in dem Lichtreich, das böse Fürst der Finsternis und wohnte in
dem Erdendunkel. Es beschloß zu dem Lichte aufzusteigen und
die fünf Regionen des Lichtreiches zitterten vor ihm. Der Vater
der Größe (der oberste Gott) wollte sie dein Krieg nicht aus-
setzen, weil sie nur für den Frieden geschaffen waren, und beschloß,
selbst dem Widersacher entgegenzuziehen. Er schuf aus sich die
Mutter der Lebendigen und den ersten Menschen, der wieder