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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 10. Abhandlung): Die Göttin Psyche in der hellenistischen und frühchristlichen Literatur — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.37643#0013
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Die Göttin Psyche.

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schließen, daß der Manichäismus neben dem Mythos von dem ersten
Menschen noch einen zweiten Mythos anerkannte, in welchem an
Stelle des ersten Menschen die große Psyche eingesetzt war1.
Der Schluß wird sich uns später aus den Fragmenten weiter bestä-
tigen; für ihn spricht wohl schon jetzt auch die Häufigkeit der
Erwähnung dieser Gottheit in den Turfän-Fragmenten. Mit
diesem zweiten Mythos werden wir dann zunächst die Darstellung
des Titus von Bostra verbinden müssen, der die mythologischen
Züge besser bewahrt hat, und nur von der ψυχή, bezw. ψυχή απάν-
των spricht, sodann die oben kurz dargestellte, mehr begrifflich
gehaltene Fassung des Alexander von Lykopolis2. Mani selbst
scheint sich auf Grund der beiden Mythen in verschiedenen Schrif-
ten verschieden ausgedrückt zu haben. Wir können das an einem
Zug sogar noch nachweisen. Mit Alexander stimmt in den wesent-
lichen Zügen Theodoret Haeret. fab. 26 (Migne 83 p. 377) überein,
setzt aber für die Seele ein μοΐρά τις του φοιτάς3. Augustin spricht
in der Regel von der Seele oder 'einem Teil der Gottheit’, verein-
zelt von beidem, z. B. De vera relig. 9 misisse huc animam bonam
ei4 quandam particulam suae substantiae, cuius commixtione atque
miseria hostem temperatum esse somniant et mundum fabricatum.
Die Acta cum Felice II cap. 19ff. zeigen nun, daß in den Lehr-
schriften Manis (wenigstens in den im Abendlande benutzten
Fassungen) tatsächlich die Bezeichnung 'Teil der Gottheit’ vor-
gekommen ist, die sich ganz an die Lehre von der ψυχή knüpft;
zu diesem Teil der Gottheit gehören alle Einzelseelen (vgl. Acta
cum Felice II 3. 7 partem suatn, substantiam suam. II 15. Contra
Faustum XX 17 Anfang). Daneben steht in den gleichen Büchern
Augustins freilich auch der Mythos, den Theodor bar Khöni bietet,
also der Mythos von dem Urmenschen und seinen Elementen
(Acta cum Felice II 7, Contra Faustum II 3. XX 9). Es war an sich
begreiflich, wenn Kessler (Herzogs Realencyclop. XII 205) eine
1 Schon Flügel, Mani (S. 202 und sonst) hat das Verhältnis von Ur-
mensch und Weltseele richtig erkannt; es handelt sich für mich nur um seine
literarische Wiederspiegelung.
2 Er verwendet nur das einfache Wort ψυχή.
3 Das Licht ist ja die Seelensubstanz.
4 Das et ist dabei offenbar epexegetisch gemeint, vgl. Contra Fortunatum
§ 20 volo audire, anima, quam dicitis aut partem aut virtutem aut sermonem
aut aliud quodlibet dei, quid mali fecerit, ut a deo puniatur. Von anderen Stellen
nenne ich nur beispielsweise De nat. boni 44 (Anfang), Contra Faustum. XXII 22,
XXI 16.
 
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