Metadaten

Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 10. Abhandlung): Die Göttin Psyche in der hellenistischen und frühchristlichen Literatur — Heidelberg, 1917

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37643#0028
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
28

R. Reitzenstein:

herein einen Eindruck gibt, wie viele Zwischenglieder zwischen
dem Papyrus selbst, der dem Anfang des vierten Jahrhunderts
angehören soll, oder auch nur zwischen dem eigentlichen Zauberbuch,
dem 'achten Buch Mosis’, das damals, als er geschrieben wurde,
schon in verschiedenen Fassungen umlief, und dieser an sich wert-
losen und abgeschmackten Dichtung liegen.
Seltsam ist nun, daß dieselbe Gemeinde der ägyptischen
Diaspora noch ein sehr viel älteres griechisches Buch von ganz
anderem Charakter hatte, das freilich auch nicht ägyptischer Her-
kunft ist. Seinetwegen habe ich dem Leser die Mühe der Son-
derungen machen müssen. Erst von hier an handelt es sich um alte
Tradition und um die eigentliche κοσμοποιία. Freilich handelt es
sich auch hier nur um ein Fragment. Wir sehen sofort, daß zwar
ein Eingangsstück verloren, immerhin aber eine Art Ausgangs-
punkt gewählt ist. Der Schluß dagegen (S. 185, 115, bezw. 139)
ist von dem Zauberer ganz willkürlich geformt. Der Hauptteil
nennt sieben Götter, die vor anderen oder vor einem bestimmten
Ereignis von einem Urgott hervorgebracht sind; es ist die erste
Schöpfung, wie wir jetzt sagen dürfen. Dann beginnt eine neue
Entwicklungsreihe; zwei Götter werden noch genannt, ein erster
und ein letzter1, aber ohne daß wir zu der Welt wirklich gekom-
men sind — und das erwarten wir doch nach der Inhaltsangabe —,
bricht der griechisch-ägyptische Bearbeiter2 ab, offenbar weil
er Wert auf die Neunzahl legt, die so herauskommt, während
für den alten Text die Siebenzahl heilig ist; der Zauberer legt
noch seinen Namensschwindel ein und das Fragment endet.
Es steht in der uns bekannten Literatur des Hellenismus ganz
einzigartig da. Der Stil ist außerordentlich schlicht und volks-
tümlich, die Erzählung knapp; sie steht etwa in der Mitte zwischen
dem Bericht des Theodor bar Khöni und den listenartigen Auf-
zählungen des Turfän-Fragmentes M 583. Die Überlieferung ist
seltsam. Zweifellos gehen die beiden Fassungen der ganzen Zauber-
handschrift auf den gleichen, ihnen zeitlich nahestehenden Arche-
typus zurück3; dennoch weichen in der ersten Hälfte die beiden
1 Hierauf weisen in der zweiten Passung die Worte καί ούκέτι ούδέν
ήτάκτησεν των άερίοιν.
2 Ich meine den Verfasser jenes Hymnenbuches.
3 Daneben benutzt freilich jeder Schreiber der beiden Fassungen auch
noch ein zweites Exemplar, aus dem er Zusätze macht.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften