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R. Reitzenstein:
logischen eingesetzt; denn πνεύμα θειον und νους (πυρ νοερόν)
vertreten tatsächlich die Götterwesen, aus denen in der altorien-
tahschen Fassung die ψυχή emaniert wird. Man kann das Ver-
fahren, das der Imuthes-Prophet in seiner Kosmogonie befolgt
zu haben sich rühmt (Verbindung der Mythologie und Philosophie),
kaum anschaulicher zur Darstellung bringen.
Von dieser Erkenntnis des Wesens einer Teilpartie aus gilt
es das Ganze ins Auge zu fassen. Jos. Kroll, der nur Philosophie
hier sucht und sieht, erklärt es für einen aus vielen, zum Teil ganz
entlegenen Ingredienzien ohne viel Kopfzerbrechen zusammen-
gebrauten Sud (S. 155), das elendeste Elaborat unter allen Hermeti-
schen Schriften, was recht viel bedeuten wolle. Der Aufbau sei
grauenhaft; auf eine Logik in der Komposition scheine von vorn-
herein verzichtet, überall klafften Risse und Spalten, die sich auch
nicht durch die Annahme zweier Rezensionen, die ineinander-
gearbeitet wären, erklären ließen (S. 147). Der Zorn über den
'obskuren Autor’ ist so lebhaft, daß man sich nicht wundern kann,
wenn die Inhaltsangabe zahlreiche Mißverständnisse zeigt. Im
Gegensatz zu ihm findet Zielinski (Archiv f. Religionswissenschaft
VIII 356ff. und IX 45 ff.) hier allertiefste Offenbarungen des
ältesten Glaubens der Arkader. Die Κόρη des Titels ist Κυρήνη
(von κύρη = κόρη), angeblich die Jungfrau und Mutter. Die
Abfolge der vermeintlichen Götter-Syzygien Πόνος und Φύσις,
dann Ευρεσις und als ihr Gatte Hermes deutet dem Wissenden an,
daß Ladon mit Gaia die Nymphe zeugt, zu der sich später Hermes
gesellt. Warum die 'allegorisierende5 Darstellung die Nymphe zur
Ευρεσις macht, wird mir zunächst nicht gesagt und bleibt mir
auch später dunkel; wie aus Ladon der Πόνος werden konnte,
weiß auch Zielinski nicht zu sagen; aber ein Ausweg findet sich
leicht: wir setzen — trotz der offenbar beabsichtigten Verbindung
der Begriffe Εύρεσις und Πόνος — einfach πόρος ein. Die Begrün-
dung ist: als Fluß ist Ladon selbstverständlich ein πόρος. Damit
ist plötzlich die urweltliche Bedeutung des Πόρος klar, der bei Plato
im Mythos der Diotima mit der Πενία den Eros zeugt; die Lrflüsse
sind alle dem Okeanos gleich, dem Ursprung des Seins. Die Gene-
alogie Poros -Eros wird mythologisch greifbar1, und die Gleichsetzung
von Poros und Chaos gewinnt Berechtigung2. Ich kann dem Leser
1 Plato hat sie nicht verstanden, wenn er die Penia zufügte.
2 Ich verfolge die Irrungen und Wirrungen dieser etymologisierenden
Mythologie, in der schließlich (Archiv IX 47) der Πόρος zum Φορωνεύς und zum
R. Reitzenstein:
logischen eingesetzt; denn πνεύμα θειον und νους (πυρ νοερόν)
vertreten tatsächlich die Götterwesen, aus denen in der altorien-
tahschen Fassung die ψυχή emaniert wird. Man kann das Ver-
fahren, das der Imuthes-Prophet in seiner Kosmogonie befolgt
zu haben sich rühmt (Verbindung der Mythologie und Philosophie),
kaum anschaulicher zur Darstellung bringen.
Von dieser Erkenntnis des Wesens einer Teilpartie aus gilt
es das Ganze ins Auge zu fassen. Jos. Kroll, der nur Philosophie
hier sucht und sieht, erklärt es für einen aus vielen, zum Teil ganz
entlegenen Ingredienzien ohne viel Kopfzerbrechen zusammen-
gebrauten Sud (S. 155), das elendeste Elaborat unter allen Hermeti-
schen Schriften, was recht viel bedeuten wolle. Der Aufbau sei
grauenhaft; auf eine Logik in der Komposition scheine von vorn-
herein verzichtet, überall klafften Risse und Spalten, die sich auch
nicht durch die Annahme zweier Rezensionen, die ineinander-
gearbeitet wären, erklären ließen (S. 147). Der Zorn über den
'obskuren Autor’ ist so lebhaft, daß man sich nicht wundern kann,
wenn die Inhaltsangabe zahlreiche Mißverständnisse zeigt. Im
Gegensatz zu ihm findet Zielinski (Archiv f. Religionswissenschaft
VIII 356ff. und IX 45 ff.) hier allertiefste Offenbarungen des
ältesten Glaubens der Arkader. Die Κόρη des Titels ist Κυρήνη
(von κύρη = κόρη), angeblich die Jungfrau und Mutter. Die
Abfolge der vermeintlichen Götter-Syzygien Πόνος und Φύσις,
dann Ευρεσις und als ihr Gatte Hermes deutet dem Wissenden an,
daß Ladon mit Gaia die Nymphe zeugt, zu der sich später Hermes
gesellt. Warum die 'allegorisierende5 Darstellung die Nymphe zur
Ευρεσις macht, wird mir zunächst nicht gesagt und bleibt mir
auch später dunkel; wie aus Ladon der Πόνος werden konnte,
weiß auch Zielinski nicht zu sagen; aber ein Ausweg findet sich
leicht: wir setzen — trotz der offenbar beabsichtigten Verbindung
der Begriffe Εύρεσις und Πόνος — einfach πόρος ein. Die Begrün-
dung ist: als Fluß ist Ladon selbstverständlich ein πόρος. Damit
ist plötzlich die urweltliche Bedeutung des Πόρος klar, der bei Plato
im Mythos der Diotima mit der Πενία den Eros zeugt; die Lrflüsse
sind alle dem Okeanos gleich, dem Ursprung des Seins. Die Gene-
alogie Poros -Eros wird mythologisch greifbar1, und die Gleichsetzung
von Poros und Chaos gewinnt Berechtigung2. Ich kann dem Leser
1 Plato hat sie nicht verstanden, wenn er die Penia zufügte.
2 Ich verfolge die Irrungen und Wirrungen dieser etymologisierenden
Mythologie, in der schließlich (Archiv IX 47) der Πόρος zum Φορωνεύς und zum