Die Göttin Psyche.
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ähnliche Funde nicht versprechen, nur einen 'Charakterkopf’
aus der Reifezeit des Synkretismus und eine geistreiche frühhelle-
nistische Dichtung, der Horaz eine Anregung für Ode I 3 entnom-
men hat.
Ich muß dazu, da Zielinski und Kroll den Aufbau des Berich-
tes an entscheidenden Punkten mißverstanden haben, den Inhalt
kurz angeben. Das Fragment beginnt (385,6) nach der üblichen
Einführung dieser angeblichen Geheimlehren, die doch in Buch-
form veröffentlicht werden und sich an ein großes Publikum wen-
den, mit einer Scheidung der oberen und der unteren Welt (το
επικείμενον oder δ ούρανός und τά κάτω). Es ist der Beginn aller
dualistischen Kosmogonien, die immer von der Himmelswelt aus-
gehen. Wie in den meisten von ihnen ist sie bereits geordnet und
hat ihre Götter* 1. Die untere stöhnt, wenn sie hinaufschaut und
fürchtet sich2. Später freilich hören wir (p. 388, 6, vgl. 389, 5),
daß auch die φύσις jenes oberen Reiches noch bewegungslos und
unfruchtbar ist, bis der Urgott auf Bitten der andern, den Himmel
schon umkreisenden Götter die Φύσις schafft, die Göttin alles
Werdens und aller Geburt (έμειδίασε και είπε Φύσιν είναι). Es
ist die Göttin Γέννα der κοσμοποιία des Asonakes (vgl. oben
S. 30). Allegorische Spielerei des griechischen Bearbeiters gibt
ihr hier Πόνος zum Gatten und Εύρεσις zur Tochter3. Es folgt die
Schöpfung der Ψύχωσις, die oben S. 71 analysiert ist. Wieder
entspricht jene Kosmogonie, welche die Ψυχή erst nach der Γέννα
entstehen läßt. Aus der Ψύχωσις schafft dann Gott in bestimmter
Stufenfolge die himmlischen Seelen, weist jeder einen Platz an,
verheißt ihnen, wenn sie gehorsam bleiben Rückkehr4 in den Him-
Φόρκος wird, nicht weiter; der methodische Fehler in der Einschwärzung des
Wortes πόρος ist ja klar. Ein paar Einwände gegen die Herleitung der 'höheren
Hermetik’ aus Arkadien bieten die Anmerkungen zu meinem Vortrag über
'Werden und Wesen der Humanität im Altertum , Straßburg 1907 (S. 30ff.).
Das Vorbild für die Scheidung der höheren und niederen Hermetik war wohl
die übliche ähnliche Scheidung der Gnosis.
1 Wir hören sogar von einer kleineren, aber stärkeren Sonne und den
abgemessenen Bewegungen göttlicher Geheimnisse (Sterne).
2 Stob. 386,1 ist zu schreiben: ένθεν έστέναξε τά κάτω φόβον εχοντα,
την περικαλλή καί εις άεί διαμονήν των έπικειμένων <ίδόντα>.
3 Die Anregung zum Allegorisieren bot Plato. Freilich zeigt sich schon
hier, daß der Bearbeiter die Scheidung der beiden Reiche nicht versteht.
4 Der Bearbeiter vergißt offenbar, daß die Seelen noch im Himmel
sind.
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ähnliche Funde nicht versprechen, nur einen 'Charakterkopf’
aus der Reifezeit des Synkretismus und eine geistreiche frühhelle-
nistische Dichtung, der Horaz eine Anregung für Ode I 3 entnom-
men hat.
Ich muß dazu, da Zielinski und Kroll den Aufbau des Berich-
tes an entscheidenden Punkten mißverstanden haben, den Inhalt
kurz angeben. Das Fragment beginnt (385,6) nach der üblichen
Einführung dieser angeblichen Geheimlehren, die doch in Buch-
form veröffentlicht werden und sich an ein großes Publikum wen-
den, mit einer Scheidung der oberen und der unteren Welt (το
επικείμενον oder δ ούρανός und τά κάτω). Es ist der Beginn aller
dualistischen Kosmogonien, die immer von der Himmelswelt aus-
gehen. Wie in den meisten von ihnen ist sie bereits geordnet und
hat ihre Götter* 1. Die untere stöhnt, wenn sie hinaufschaut und
fürchtet sich2. Später freilich hören wir (p. 388, 6, vgl. 389, 5),
daß auch die φύσις jenes oberen Reiches noch bewegungslos und
unfruchtbar ist, bis der Urgott auf Bitten der andern, den Himmel
schon umkreisenden Götter die Φύσις schafft, die Göttin alles
Werdens und aller Geburt (έμειδίασε και είπε Φύσιν είναι). Es
ist die Göttin Γέννα der κοσμοποιία des Asonakes (vgl. oben
S. 30). Allegorische Spielerei des griechischen Bearbeiters gibt
ihr hier Πόνος zum Gatten und Εύρεσις zur Tochter3. Es folgt die
Schöpfung der Ψύχωσις, die oben S. 71 analysiert ist. Wieder
entspricht jene Kosmogonie, welche die Ψυχή erst nach der Γέννα
entstehen läßt. Aus der Ψύχωσις schafft dann Gott in bestimmter
Stufenfolge die himmlischen Seelen, weist jeder einen Platz an,
verheißt ihnen, wenn sie gehorsam bleiben Rückkehr4 in den Him-
Φόρκος wird, nicht weiter; der methodische Fehler in der Einschwärzung des
Wortes πόρος ist ja klar. Ein paar Einwände gegen die Herleitung der 'höheren
Hermetik’ aus Arkadien bieten die Anmerkungen zu meinem Vortrag über
'Werden und Wesen der Humanität im Altertum , Straßburg 1907 (S. 30ff.).
Das Vorbild für die Scheidung der höheren und niederen Hermetik war wohl
die übliche ähnliche Scheidung der Gnosis.
1 Wir hören sogar von einer kleineren, aber stärkeren Sonne und den
abgemessenen Bewegungen göttlicher Geheimnisse (Sterne).
2 Stob. 386,1 ist zu schreiben: ένθεν έστέναξε τά κάτω φόβον εχοντα,
την περικαλλή καί εις άεί διαμονήν των έπικειμένων <ίδόντα>.
3 Die Anregung zum Allegorisieren bot Plato. Freilich zeigt sich schon
hier, daß der Bearbeiter die Scheidung der beiden Reiche nicht versteht.
4 Der Bearbeiter vergißt offenbar, daß die Seelen noch im Himmel
sind.