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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 10. Abhandlung): Die Göttin Psyche in der hellenistischen und frühchristlichen Literatur — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.37643#0085
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Die Göttin Psyche.

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gearbeitet; die Leistung liegt in der erbaulichen Phrase; je groß-
tönender und dunkler sie ist, je mehr der Hörer hineindeuten kann,
um so besser. Platoniker möchte der Mann in gewissem Sinne sein,
und kann doch nicht philosophisch denken, ja eigentlich überhaupt
nur empfinden und nicht denken; mit Platos μύθοι, möchte er
wetteifern, und kann doch nur ganz äußerlich verschiedene 'Tra-
ditionen’ aneinander leimen; in der Wahl dieser Traditionen fühlt
er sich frei und kann selbst zu der reinliterarischen Schöpfung
greifen, aber aus sich gestalten kann er nichts. Daß ein solches
Buch damals von einem Gebildeten für Gebildete geschrieben
werden konnte, das scheint mir von höchstem geschichtlichen Inter-
esse. Gewiß, sein Verfasser war kein Gnostiker1 — er war dazu
zu sehr Literat2 —, aber zum Verständnis der Gnosis eines Mani,
ja selbst eines Valentin kann auch er viel beitragen. Überall finden
sich die gleichen Züge, Stärke des Empfindens, Schwäche des
Denkens, Tiefsinn im einzelnen, der es uns gestattet, allerhand
moderne Gedanken hineinzudeuten, und kritiklose Abhängigkeit
von Traditionen verschiedenster Herkunft, die um so lieber benutzt
werden, je abstruser sie scheinen, äußere Kenntnis einzelner Wissens-
zweige und vollste Unwissenschaftlichkeit, technische Worte aus
der griechischen Philosophie und orientalischer Geist.
So mag es gestattet sein, auf das Buch Jos. Krolls noch ein-
mal zurückzukommen, um an der an sich anerkennenswerten, ja
sympathischen Leistung eine Methode nachzuprüfen, die ja nicht
bloß in ihr und nicht bloß in der Philologie zutage tritt. Kroll
beginnt S. 117 den Abschnitt über die Weltseele: „Außer der
Ideenlehre ist noch ein anderes platonisches Gut in die hermetischen
1 Wenn er auch das Wort άγνωσία technisch (für ασέβεια) gebraucht
(402, 27).
2 Man muß, um das Eigenartige dieser schriftstellerischen Persönlich-
keit zu verstehen und zu bewerten, einerseits einen schlichten Lehrbericht
wie den der κοσμο-οιία, anderseits eine gezierte Schrift wie den Anfang
der Wundererzählung des Imuthes-Dieners (Oxyrh. Pap. 1381) vergleichen.
Der Verfasser will die Übersetzung eines altheiligen Buches liefern, um gebil-
dete Hellenen zu bekehren, und erläutert in langen Ausführungen, wie schwer
die Aufgabe sei, zu der Imuthes durch ein Wunder ihn anmahnt und selbst
seinen Geist geben wird. Er berichtet selbstgefällig von jener Kosmogonie,
die er schon übersetzt habe und in der er den heimischen Mythos mit helle-
nischer Philosophie versetzt habe, und weiß beständig den Stil zu wechseln
(vgl. die gesuchte Einfachheit in dem Anfang der alten Geschichte mit dem
salbungsvollen Ton, der kurz vorher angeschlagen wird).
 
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