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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 10. Abhandlung): Die Göttin Psyche in der hellenistischen und frühchristlichen Literatur — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.37643#0092
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92

R. Reitzenstein :

gesetzten Gottes in dieser Gestalt schloß1. Aber der Schluß war
an sich richtig. Die Vorstellung eines beflügelten Drachen als
Gott ist, wie mir Prof. Sethe bestätigt, tatsächlich nicht ägyp-
tisch; daß sie iranisch ist, zeigt Manis Lehre, und iranische Ele-
mente aus dieser sind in dem Zauber erwiesen. Der Gott Eros,
und zwar ein mit Psyche verbundener Eros, scheint einerseits
mit dem ägyptischen Horus, anderseits mit dem iranischen
Herrscher der Finsternis irgendwie in Verbindung gebracht.
Jeder Versuch, weiter vorzudringen, kann zunächst nur un-
sichere Kombinationen bieten, die ein einziger Fund, sei es eines
manichäischen Fragmentes, sei es eines Zaubertextes, der das
iranische Element reiner gewahrt hat, oder einer übersehenen
orientalischen Tradition, weiter umgestalten kann. Wenn ich
einen solchen Versuch probeweise dennoch wage, geschieht es,
um die Mitarbeit anderer Forscher zu erbitten.
Gehen wir von dem manichäischen Fragment (M 5) aus und
vergleichen es mit Apuleius. Der Gott, der so spricht, verlangt
die Psyche nicht zum Fraß, sondern zur Liebesvereinigung, er
ist der Freier. Auch bei Apuleius wird Psyche für ihn bräutlich
geschmückt, freilich zur Todeshochzeit. Beide Vorstellungen
gehen nebeneinander her; sie sind als zwei verschiedene Ausdrucks-
formen für jene commixtio2 der ψυχή und (ίλη wohl verständlich.
Nun erscheint der Eros als die Liebe zu der Welt in der Mahnrede
des Hermes an die Seele als die wahre Gefahr, als der Feind und
Betörer der Seele3, und in einem Abschnitt des Poimandres (§ 18),
von dem wir freilich nicht bestimmt wissen, ob er dem iranischen
Text angehört, der aber in dem Gedanken ganz mit jener Mahn-
rede des Hermes übereinstimmt, sagt gar Gott και άναγνωρισάτω
<ό> έννους εαυτόν οντα άΟ-άνατον καί τον αί'τί,ον του Τανάτου έρωτα
(vgl. die Erklärung 19 καί 6 άναγνωρίσας έαυτόν έλήλυΤεν εις
τό περιούσιον άγαθόν, 6 δε άγαπήσας έκ πλάνης έρωτος τό σώμα,
ούτος μένει έν τω σκότει πλανώμενος, αίσΤητώς πασχών τά του Αανάτου
mit dem Seelenhymnus der Naassener). Eigentümlich ist ferner
1 Daß in dem Text der Westen als Ort genannt war, wo der Gott seine
wahre Gestalt zeigt, während wir nach iranischer Anschauung den Süden
erwarten müßten, hat bei der Überlieferung dieser Zaubersprüche gar nichts
zu sagen (vgl. Dieterich S. 760).
2 So Augustin De vera religione 9, oben S. 13.
3 Vgl. auch die harranitische Schilderung oben S. 21.
 
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