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-J. Ruska:
wieweit ihm persönlich ein Verdienst an der Prägung zukommt.
Halten wir uns gegenwärtig, daß er sich als Astronom anerkannter-
maßen auf indische Wissenschaft stützte und auch ein Buch über
das indische Rechnen verfaßte, so ist die Richtung angegeben,
in der man zunächst zu suchen hat. Bevor wir uns aber den
Untersuchungen zuwenden, die seit Colebrooke darüber ver-
öffentlicht sind, muß der Titel und die Gesamtanlage des Buches
etwas genauer betrachtet werden.
Man hat immer wieder dem Erstaunen Ausdruck gegeben,
daß Muhammad b. Müsä seinem Werk einen Titel gegeben habe,
den er nicht erklärt, und daß er dafür zwei Operationen ausgewählt
habe, die in dem „eigentlich theoretischen Teile“ seines Buches
gar nicht Vorkommen.1 Ich glaube, man hat sich das Verständnis
dieser Tatsachen ganz unnötig erschwert, indem man das Buch
nicht historisch mit den „Augen des Verfassers“ (Cantor a. a. 0.
S. 728), sondern ohne Rücksicht auf den Gesamtinhalt nur nach
den wenigen theoretischen Kapiteln am Anfang beurteilte, die den
Geschichtschreiber der Mathematik besonders interessieren.
Schon H. Hankel hat mit dieser Verschiebung des Tatbestandes
den Anfang gemacht, indem er zwar den Inhalt des ersten Teils
der Algebra ganz zutreffend kennzeichnet, die geometrischen Kapitel
aber davon loslöst und von dem Rest des Werkes bemerkt, daß
die dort behandelten Aufgaben über Erbteilungen von keinem
wissenschaftlichen Interesse seien, wenn sie auch für Mohammedaner
praktisch von größtem Werte waren.2 Was weiter darüber gesagt
wird, geht auf zwei Fußnoten Rosens (a. a. 0. S. 91, 133) zurück.
Cantor hat dann nach A. v. Kremers Culturgeschichte des Orients
noch einige Sätze hinzugefügt und auch auf die Ausführungen von Ihn
Haldün und HäggI Hallfa über Erbteilungswissenschaft hin-
gewiesen.3 Dieser Abschnitt der Algebra ist nach Cantor „arabisch
durch und durch“ und als Grundlage zahlreicher späterer Schriften
zu betrachten, die von den Erbteilungen und den dabei vorkommenden
Rechnungen ausschließlich handeln. Proben dieser Rechenpraxis
1 M. Cantor, Vorlesungen über Gesch. d. Math. I3, 1907, S. 719.
2 H. Hankel, Zur Geschichte der Mathematik in Alterthum und Mittel-
alter, Leipzig 1874, S. 260.
3 Es sollte S. 729 nicht al farä’id, sondern rilm alfarä’id heißen; der
Ausdruck wäre nicht mit „gesetzlich festgestellte Bedingung“, sondern, wie in
Häggx Halifa IV, S. 393, mit „doctrina hereditates dividendi“, noch kürzer mit
,Erbrecht“ zu übersetzen.
-J. Ruska:
wieweit ihm persönlich ein Verdienst an der Prägung zukommt.
Halten wir uns gegenwärtig, daß er sich als Astronom anerkannter-
maßen auf indische Wissenschaft stützte und auch ein Buch über
das indische Rechnen verfaßte, so ist die Richtung angegeben,
in der man zunächst zu suchen hat. Bevor wir uns aber den
Untersuchungen zuwenden, die seit Colebrooke darüber ver-
öffentlicht sind, muß der Titel und die Gesamtanlage des Buches
etwas genauer betrachtet werden.
Man hat immer wieder dem Erstaunen Ausdruck gegeben,
daß Muhammad b. Müsä seinem Werk einen Titel gegeben habe,
den er nicht erklärt, und daß er dafür zwei Operationen ausgewählt
habe, die in dem „eigentlich theoretischen Teile“ seines Buches
gar nicht Vorkommen.1 Ich glaube, man hat sich das Verständnis
dieser Tatsachen ganz unnötig erschwert, indem man das Buch
nicht historisch mit den „Augen des Verfassers“ (Cantor a. a. 0.
S. 728), sondern ohne Rücksicht auf den Gesamtinhalt nur nach
den wenigen theoretischen Kapiteln am Anfang beurteilte, die den
Geschichtschreiber der Mathematik besonders interessieren.
Schon H. Hankel hat mit dieser Verschiebung des Tatbestandes
den Anfang gemacht, indem er zwar den Inhalt des ersten Teils
der Algebra ganz zutreffend kennzeichnet, die geometrischen Kapitel
aber davon loslöst und von dem Rest des Werkes bemerkt, daß
die dort behandelten Aufgaben über Erbteilungen von keinem
wissenschaftlichen Interesse seien, wenn sie auch für Mohammedaner
praktisch von größtem Werte waren.2 Was weiter darüber gesagt
wird, geht auf zwei Fußnoten Rosens (a. a. 0. S. 91, 133) zurück.
Cantor hat dann nach A. v. Kremers Culturgeschichte des Orients
noch einige Sätze hinzugefügt und auch auf die Ausführungen von Ihn
Haldün und HäggI Hallfa über Erbteilungswissenschaft hin-
gewiesen.3 Dieser Abschnitt der Algebra ist nach Cantor „arabisch
durch und durch“ und als Grundlage zahlreicher späterer Schriften
zu betrachten, die von den Erbteilungen und den dabei vorkommenden
Rechnungen ausschließlich handeln. Proben dieser Rechenpraxis
1 M. Cantor, Vorlesungen über Gesch. d. Math. I3, 1907, S. 719.
2 H. Hankel, Zur Geschichte der Mathematik in Alterthum und Mittel-
alter, Leipzig 1874, S. 260.
3 Es sollte S. 729 nicht al farä’id, sondern rilm alfarä’id heißen; der
Ausdruck wäre nicht mit „gesetzlich festgestellte Bedingung“, sondern, wie in
Häggx Halifa IV, S. 393, mit „doctrina hereditates dividendi“, noch kürzer mit
,Erbrecht“ zu übersetzen.