Zur ältesten arabischen Algebra und Rechenkunst.
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sind leider nicht mitgeteilt, und so ist es nicht verwunderlich, daß
die jüngste Darstellung dieser Dinge auf eine Häufung von Miß-
verständnissen hinausläuft.1 *
Es wird weiter unten auf Einzelheiten zurückzukommen sein.
Auf dieser Stufe der Untersuchung genügt es, die Tatsache fest-
zuhalten, daß Muhammad b. Müsä eine „Algebra“ in unserem
Sinne nicht schreiben wollte, noch geschrieben hat. Sein Buch will
weiter nichts sein als eine auf zahlreiche ausgeführte Musterbeispiele
gestützte Einführung in das angewandte Rechnen. Ob es
diesen in der Einleitung ausgesprochenen Zweck, zur Lösung von
Aufgaben aus dem Gebiet des bürgerlichen Rechnens und der Flächen-
und Körperberechnung anzuleiten, nach unseren Ansprüchen ganz
erreicht, ist hier nicht zu erörtern; wohl aber sind wir die Antwort
auf die Frage schuldig, wie der Verfasser dazu kam, seinem Werk
einen angeblich so unverständlichen Titel zu geben.
Wenn wir Günther glauben sollen, wüßte man erst „späteren
Berichten zufolge“, daß eine Gleichung für eingerichtet galt,
wenn auf beiden Seiten ausschließlich positive Glieder standen,
während das Wort Gegenüberstellung dem Weglassen gleicher
Größen links und rechts entsprach. Auch Cantor (I3, S. 719) und
Hankel (S. 260, Note**) berufen sich auf die Erklärungen späterer
arabischer Schriftsteller, und wer will, kann bei Rosen (S. 180 ff.)
oder Nesselmann (Die Algebra der Griechen, S. 40 ff.) Text und Über-
setzung von Originalstellen nachlesen, in denen eine Erklärung der
Ausdrücke algabr und almukäbalah gegeben wird. Kein Zweifel
kann darüber bestehen, daß die verschiedenen Übersetzungen
der beiden Termini eine klare Vorstellung von ihrem mathematischen
Sinn nicht zu geben vermögen. Restauratio et oppositio ist ein ebenso
unklares Begriffspaar wie restoring and comparing (Colebrooke)
oder completion and reduction (R.osen), Wiederherstellung und Gegen-
überstellung (Cantor) oder Ergänzung und Ausgleichung, wie ich
oben übersetzt habe. Gestehen wir aber dem Autor zu, daß wir
ihn ganz gelesen haben müssen, ehe wir ihn kritisieren, so bekommen
wir ein wesentlich anderes Bild. Wir begegnen den beiden Aus-
1 S. Günther, Geschichte der Mathematik, Leipzig 1908, S. 204 : „Die sehr
in Einzelheiten sich verlierenden Erörterungen Mohammeds über juristische
Arithmetik, bei denen zumal die Erbteilung eine Rolle spielt, müssen sich hier
mit bloßer Erwähnung begnügen. Sie waren zweifelsohne für den Kadi und
Anwalt von großem Werte und dienen noch im XIV. Jahrhundert dem Ibn
Chaldün, im XVII. dem Hadschi Chalfa als Anhaltspunkt für eigene Be-
tätigung auf dem Felde der Mathesis forensis.“
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sind leider nicht mitgeteilt, und so ist es nicht verwunderlich, daß
die jüngste Darstellung dieser Dinge auf eine Häufung von Miß-
verständnissen hinausläuft.1 *
Es wird weiter unten auf Einzelheiten zurückzukommen sein.
Auf dieser Stufe der Untersuchung genügt es, die Tatsache fest-
zuhalten, daß Muhammad b. Müsä eine „Algebra“ in unserem
Sinne nicht schreiben wollte, noch geschrieben hat. Sein Buch will
weiter nichts sein als eine auf zahlreiche ausgeführte Musterbeispiele
gestützte Einführung in das angewandte Rechnen. Ob es
diesen in der Einleitung ausgesprochenen Zweck, zur Lösung von
Aufgaben aus dem Gebiet des bürgerlichen Rechnens und der Flächen-
und Körperberechnung anzuleiten, nach unseren Ansprüchen ganz
erreicht, ist hier nicht zu erörtern; wohl aber sind wir die Antwort
auf die Frage schuldig, wie der Verfasser dazu kam, seinem Werk
einen angeblich so unverständlichen Titel zu geben.
Wenn wir Günther glauben sollen, wüßte man erst „späteren
Berichten zufolge“, daß eine Gleichung für eingerichtet galt,
wenn auf beiden Seiten ausschließlich positive Glieder standen,
während das Wort Gegenüberstellung dem Weglassen gleicher
Größen links und rechts entsprach. Auch Cantor (I3, S. 719) und
Hankel (S. 260, Note**) berufen sich auf die Erklärungen späterer
arabischer Schriftsteller, und wer will, kann bei Rosen (S. 180 ff.)
oder Nesselmann (Die Algebra der Griechen, S. 40 ff.) Text und Über-
setzung von Originalstellen nachlesen, in denen eine Erklärung der
Ausdrücke algabr und almukäbalah gegeben wird. Kein Zweifel
kann darüber bestehen, daß die verschiedenen Übersetzungen
der beiden Termini eine klare Vorstellung von ihrem mathematischen
Sinn nicht zu geben vermögen. Restauratio et oppositio ist ein ebenso
unklares Begriffspaar wie restoring and comparing (Colebrooke)
oder completion and reduction (R.osen), Wiederherstellung und Gegen-
überstellung (Cantor) oder Ergänzung und Ausgleichung, wie ich
oben übersetzt habe. Gestehen wir aber dem Autor zu, daß wir
ihn ganz gelesen haben müssen, ehe wir ihn kritisieren, so bekommen
wir ein wesentlich anderes Bild. Wir begegnen den beiden Aus-
1 S. Günther, Geschichte der Mathematik, Leipzig 1908, S. 204 : „Die sehr
in Einzelheiten sich verlierenden Erörterungen Mohammeds über juristische
Arithmetik, bei denen zumal die Erbteilung eine Rolle spielt, müssen sich hier
mit bloßer Erwähnung begnügen. Sie waren zweifelsohne für den Kadi und
Anwalt von großem Werte und dienen noch im XIV. Jahrhundert dem Ibn
Chaldün, im XVII. dem Hadschi Chalfa als Anhaltspunkt für eigene Be-
tätigung auf dem Felde der Mathesis forensis.“