Metadaten

Ruska, Julius; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 2. Abhandlung): Zur ältesten arabischen Algebra und Rechenkunst — Heidelberg, 1917

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37635#0084
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
84

J. Ruska:

welche auch die Frage nach der Zeit der Entstehung endgültig be-
antworten würde, oder die von Cantor übersehene Behandlung des
Gegenstands durch E. Clive Bayley1 und die jüngste Erörterung
der Frage durch N. Bubnow2, als die Überzeugung, daß alle
Versuche als methodisch verfehlt zu betrachten sind, die die
Lösung des Rätsels außerhalb der geschichtlich allein möglichen
Verbindung des Arabischen und Lateinischen suchen.
Wir lächeln über Helmreich (1595), der in der Vorrede zu
seinem Rechenbuch den großen Geometer Al gebras in Ägypten zur
Zeit des Alexandri Magni, der da war ein Präzeptor oder Vorfahrer
Euklidis, des Fürsten zu Megarien, die Algebra erfinden läßt3; aber
sollen wir annehmen, daß ein Radulph von Laon am Anfang
des 12. Jahrhunderts mehr von Chaldäern und Assyrern wußte
und „chaldäische“ Namen für die Zahlzeichen einschließlich der Null
mitteilen konnte, die bei den Chaldäern in dieser Weise gar nicht
existierten? Es ist doch geradezu eine Ungeheuerlichkeit, auf Grund
dieser im 12. Jahrh. auftauchenden Notiz mit E. Clive Bayley anzu-
nehmen, „that some reminiscence, at least, of the names of the
Chaldaean units may have survived also, though in a more or
less corrupted form, to Neo-Pythagorian times“, dann auf Grund
einer angeblichen Abstammung (!) des Arabischen und Hebräischen
vom Altassyrischen mit Hilfe von „Härtung“ und „Euphonie“ aus
'estiiü igin und aus ctisu' celentis herzustellen, und wenn dies alles
noch nicht zur Erklärung der von Radulph gegebenen Wörter aus-
reicht, das „neupythagoreische“ anclras und ormis aus tamulischem
irandu und munru abzuleiten!4
Auch über die phantastischen Versuche, igin — rj yuvfi, andras
— dv5p(ö<;?), ormis = oppp zu setzen und ccdtis mit KaXÖTr)c;, ce-
lentis mit dfiijXuvTO? oder aeXijvr] in Zusammenhang zu bringen5,
kann ich wohl hinweggehen. Soll bei der ganzen Untersuchung
überhaupt etwas herauskommen, so dürfen wir nicht, wie es bisher
1 Vgl. Journ. Roy. As. Soc., New Series, Bd. 15, 1883, S. 61 ff.
2 N. Bubnow, Arithmetische Selbständigkeit der europäischen Kultur, Berlin
1914, S. 63 ff. Auf den übrigen Inhalt dieses wichtigen Buches hoffe ich in an-
derem Zusammenhang eingehen zu können.
3 Nesselmann, Algebra der Griechen, S. 46.
4 E. Clive Bayley a. a. 0., S. 61—64: The resemblance is here so close(!)
that it is hardly to be doubted that the Neo-Pythagoreans did adopt these terms
from a Southern Indian source.
5 Woepcke, Journ. As., 6. Ser., Bd. 1, 1863, S. 50 nach Vincent und Bjen-
ayme; vgl. Cantor I s, S. 895 ; Bubnow a. a. 0., S. 66.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften