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Ruska, Julius; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 2. Abhandlung): Zur ältesten arabischen Algebra und Rechenkunst — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.37635#0090
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90

J. Ruska:

abgeleitet werden muß und erst später durch cifra = ybo ersetzt
wurde, ist eine Frage, die hier nicht im Vorbeigehen erledigt
werden kann.
Auf alle Fälle scheint es angemessener, Umstellungen und
Verwechslungen der unverstandenen Wörter zuzulassen oder Du-
bletten anzunehmen, wenn sich der Lautbestand ohne Schwierigkeit
einfügt, als durch Gewaltmittel Wörter, die sich nun einmal nicht
mit den ihnen zugeschriebenen Zahlwerten zur Deckung bringen
lassen, solang umzuformen, bis sie nicht mehr wiederzuerkennen
sind. Wie leicht solche Verwechslungen und falschen Eintragungen
zustande kommen, lehrt ein Blick auf die von Friedlein der Boetius-
ausgabe beigegebene Faksimiletafel. Nur die Godd. e, n und
w2 zeigen die 9 Wörter richtig über den 9 Kolumnen, nur bei n2
sind sie in einer Zeile geschrieben; bei e sind sie von arbas bis
sipos in 2, bei n sämtlich in 2 oder 3 Stücke zerlegt und unterein-
ander gesetzt, bei nz ist igin (?) über 2 Kolumnen weggeschrieben,
während zugleich sipo über scele(n)tis1 in der Neunerkolumne steht.
Die älteste Handschrift ny (cod. Vatican. 3123, saec. X, Friedlein
S. 372) scheint überhaupt noch Niemand näherer Be-
trachtung wert gehalten zu haben, und doch zeigt sie am
besten, wie die Verwirrung entstanden sein kann. Hier sind die
Wörter wie in arabischen Handschriften vertikal gestellt. Das Wort
an-dras steht über 2 und 3, ormis über 4, arbas über 5, quimas
über 6, calcis(?) über 7, zenis (?) über 8, zeme-nias über 9 und 0,
sce-len-tis über drei leeren Fächern; das Wort sipos fehlt, während
das Zeichen für die Null am richtigen Platze steht. Welche kühnen
Hypothesen könnte und würde man aufstellen, wenn nur diese eine
Handschrift bekannt wäre! Und wie mag die Vorlage beschaffen
gewesen sein, aus der sie hervorging?
Man mag sich zu der ganzen Sache stellen, wie man will,
es ist und bleibt schwer zu begreifen, daß in einer Zeit, in der
doch wahrlich Gelegenheit vorhanden war, sich über die richtigen
Formen der arabischen Zahlwörter zu verlässigen, dieser Rattenkönig
von Verwechslungen und Unformen weitergegeben werden konnte.
Man kann sich bei so allgemeinen Dingen wie Zahlwörtern nicht
wie bei medizinischen oder astronomischen Begriffen auf sachliche
Schwierigkeiten berufen. Es bleibt fast nur die Annahme, daß eine
an sich schlechte handschriftliche Überlieferung schon frühe an

1 Nach einer Vorlage, die sipos über celentis hatte.
 
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