Vorbemerkun g.
In den durchweg christenfeindlichen Schriften1 des Kaisers
Julian spielt die philosophisch-rhetorische Frage nach der wahren
Königsherrschaft eine sehr bedeutende Rolle2. Nicht nur die so-
genannten Königsreden (I. II. III), sondern auch seine übrigen
Werke, darunter sogar manche Briefe und Edikte, gehen bei jeder
Gelegenheit in irgend einer Beziehung auf dieses Problem ein.
Eifrig hat man nach den Fundgruben geforscht, aus welchen er
schöpfen konnte3, aber seine unmittelbare Hauptquelle zu ent-
decken, ist noch niemandem gelungen. Und doch hängt von der
Erreichung dieses Ziels die gesamte Julianexegese ab. Man konnte
ihm nicht näher kommen, weil man mit seltsamer Verkennung
des synkretistischen Einheitsstrebens in der Vielfältigkeit der
julianischen Gedanken- und Formenwelt den einen und einigenden
Mittelpunkt zu wenig berücksichtigte: das ist der Platonismus
des Apostaten. Nur im Leitscheine dieser Beleuchtung seines
wichtigsten Interesses ist der richtige Weg zu finden.
Auf den vorliegenden Blättern soll der grundlegende Beweis
geführt werden, daß Julians Werke nach ihrem Inhalt und zum
Teil auch nach ihrer Form von einer genau zu bestimmenden Schrift
des Jamblichos abhängig sind. Die Frage, aus welchen Quellen
1 Über die Tendenz s. Asmus, Julians Galiläerschrift im Zusammen-
hang mit seinen übrigen Werken. Beilage z. Jahresbericht d. Gymnasiums
Freiburg i. Br. 1904.
2 S. Asmus, Julian und Dion Ghrysostomos. Beilage z. Jahresbericht
d. Gymnasiums Tauberbischofsheim 1895.
3 Die vollständigste Übersicht über diese Einzelforschungen, deren
Ergebnisse ich dankbar benütze, ohne sie jeweils anzuführen, bietet Geffcken,
Kaiser Julianus. Leipzig 1914, 128ff. (s. Wochenschr. f. kl. Philol. 1914,
519). -—· Vgl. auch das exegetische Material in der von France-Wright be-
gonnenen Julianausgabe, London-New York 1913 ff., ferner die Abhandlung
dieser Amerikanerin über “The Emperor Julian’s Relation to the New So-
phistic and Neo-Platonism: With a Study of his Style”. Chicago-London
1896. — Brambs, Studien zu den Werken Julians T. 1—-2. Gymn. Progr.
Eichstädt 1897 ff. — Wyttenbach, Animadversiones in Juliani orationem I
und Epistola critica (abgedruckt, in Schäfers Ausgabe von Jul. or. I. Lipsiae
1802).
1*
In den durchweg christenfeindlichen Schriften1 des Kaisers
Julian spielt die philosophisch-rhetorische Frage nach der wahren
Königsherrschaft eine sehr bedeutende Rolle2. Nicht nur die so-
genannten Königsreden (I. II. III), sondern auch seine übrigen
Werke, darunter sogar manche Briefe und Edikte, gehen bei jeder
Gelegenheit in irgend einer Beziehung auf dieses Problem ein.
Eifrig hat man nach den Fundgruben geforscht, aus welchen er
schöpfen konnte3, aber seine unmittelbare Hauptquelle zu ent-
decken, ist noch niemandem gelungen. Und doch hängt von der
Erreichung dieses Ziels die gesamte Julianexegese ab. Man konnte
ihm nicht näher kommen, weil man mit seltsamer Verkennung
des synkretistischen Einheitsstrebens in der Vielfältigkeit der
julianischen Gedanken- und Formenwelt den einen und einigenden
Mittelpunkt zu wenig berücksichtigte: das ist der Platonismus
des Apostaten. Nur im Leitscheine dieser Beleuchtung seines
wichtigsten Interesses ist der richtige Weg zu finden.
Auf den vorliegenden Blättern soll der grundlegende Beweis
geführt werden, daß Julians Werke nach ihrem Inhalt und zum
Teil auch nach ihrer Form von einer genau zu bestimmenden Schrift
des Jamblichos abhängig sind. Die Frage, aus welchen Quellen
1 Über die Tendenz s. Asmus, Julians Galiläerschrift im Zusammen-
hang mit seinen übrigen Werken. Beilage z. Jahresbericht d. Gymnasiums
Freiburg i. Br. 1904.
2 S. Asmus, Julian und Dion Ghrysostomos. Beilage z. Jahresbericht
d. Gymnasiums Tauberbischofsheim 1895.
3 Die vollständigste Übersicht über diese Einzelforschungen, deren
Ergebnisse ich dankbar benütze, ohne sie jeweils anzuführen, bietet Geffcken,
Kaiser Julianus. Leipzig 1914, 128ff. (s. Wochenschr. f. kl. Philol. 1914,
519). -—· Vgl. auch das exegetische Material in der von France-Wright be-
gonnenen Julianausgabe, London-New York 1913 ff., ferner die Abhandlung
dieser Amerikanerin über “The Emperor Julian’s Relation to the New So-
phistic and Neo-Platonism: With a Study of his Style”. Chicago-London
1896. — Brambs, Studien zu den Werken Julians T. 1—-2. Gymn. Progr.
Eichstädt 1897 ff. — Wyttenbach, Animadversiones in Juliani orationem I
und Epistola critica (abgedruckt, in Schäfers Ausgabe von Jul. or. I. Lipsiae
1802).
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