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Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 4. Abhandlung): Die Isisweihe bei Apuleius und verwandte Initiations-Riten — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.37637#0007
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Die Isisweihe bei Apuleius und verwandte Initiations-Riten.

7

Kein Zweifel, daß das letztere der Fall ist; Lucius = Apuleius
redet nicht frei von seinen persönlichen Eindrücken, sondern er
gibt wieder, was die Kultsprache von dem Erlebnis der Weihe
zu sagen weiß. Von persönlichen Bekenntnissen über diesen Akt
würde ihn vielleicht schon die Schweigepflicht abhalten. Sicher
aber würde er solch ein Bekenntnis nicht mit den Worten ein-
rahmen, die er hier vor und nach dem ausgehobenen Passus schreibt:
er dürfe, sagt er, nicht mitteilen, quid deinde dictum, quid factum.
Dennoch wolle er des Lesers fromme Begier nicht lange hinhalten.
Dann leitet er unsere Stelle ein: igitur audi, sed crede, quae uera
sunt. Was nun folgt, ist also keine eigentliche Erzählung über
dictum und factum der Weihe, denn dicerem, si dicere liceret!
Es scheint vielmehr ein festgelegter Text zu sein, dem Ehrfurcht
gebührt: crede quae uera sunt! Und dieser Schein bestätigt sich,
wenn der Autor auf die Worte des fraglichen Textes die Bemerkung
folgen läßt: ecce tibi rettuli, quae, quamuis audita, ignores tarnen
necesse est. Er ist also überzeugt, daß der Leser aus dem Mit-
geteilten noch nicht die Vorgänge hei der Weihe erschließen kann.
Sollte Apuleius etwa selber rätselhafte Andeutungen zusammen-
gefügt haben, um des Lesers Neugier zu befriedigen und zugleich
der Schweigepflicht zu genügen ? Wenn eine solche individuelle
Auslegung des Schweigegebotes schon von vornherein unwahr-
scheinlich ist, so wird sie vollends unglaublich, wenn man auf
die feierliche Einführung der Worte achtet: nimm gläubig hin,
was Wahrheit ist! Vielmehr deutet alles darauf hin, daß der Text
von accessi bis proxumo ein fixierter Text ist, und daß unser
Autor — um weder den Leser auf diesem Höhepunkt seiner Dar-
stellung zu enttäuschen noch Geheimnisse auszuplaudern — eine
Formel seines Kults mitgeteilt hat.
II.
Auch der Stil der Sätze, um die es sich handelt, kann diese
Vermutung, wenn nicht beweisen1, so doch bestätigen. Unsere
Stelle erinnert, wenn sie einmal als Formel erkannt wird, sogleich
1 Die Beweisführung auf diesem stilistischen Argument allein aufzu-
bauen erscheint bedenklich. Dem eklektischen Stilisten Apuleius, der seine
Art nach dem Stoff wandelt, wäre es zuzutrauen, daß er zwar für die Fotis-
Szenen einen möglichst sinnlich wirkenden Aufputz der Sprache erfinden,
hier aber in hieratischer Einfachheit nach Art älterer Mysterien-Symbole
reden könnte. Vgl. Norden, Antike Kunstprosa II2 600ff.
 
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