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Franz Rosenzweig:
vorbereiten. Es ist die gleiche „absolute Übereinstimmung“, die
in der Naturrechtsdeduktion damals als das höchste Ziel für alle
„moralischen Wesen“ auf gestellt wird. Deswegen können für
Schelling auch noch 1795, ähnlich wie schon zwei Jahre zuvor,
Mythen als philosophische Versuche zwar „Achtung verdienen“,
insofern sie wenigstens „das gefühlte Bedürfnis einer Erklärung“
voraussetzen, aber nicht mehr. Ja ganz entschieden wird eben
um der „Menschheit“ willen der Mythos für Gegenwart und Zu-
kunft verworfen in den Schlußworten der Philosophischen Briefe:
„Nimmer wird künftig der Weise zu Mysterien seine Zuflucht
nehmen, um seine Grundsätze vor profanen Augen zu verbergen.
Es ist Verbrechen an der Menschheit, Grundsätze zu verbergen,
die allgemein mitteilbar sind“. Freilich hier tritt nun ein ein-
schränkender Gedanke hinzu: „die Natur selbst hat dieser Mit-
teilbarkeit Gränzen gesetzt: sie hat — für die Würdigen eine
Philosophie aufbewahrt, die durch sich selbst zur esoteri-
schen wird, weil sie nicht gelernt, nicht nachgebetet, nicht
nachgeheuchelt, nicht auch von geheimen Feinden und Aus-
spähern nachgesprochen werden kann — ein Symbol für den Bund
freier Geister, an dem sie sich alle erkennen, das sie nicht zu ver-
bergen brauchen, und das doch, nur ihnen verständlich, für die
andern ein ewiges Räthsel sein wird“. Dies ist, soviel man sieht,
ein erstes leises Aufklingen der esoterischen Stimmung, die hier
noch rein auf dem Gedanken eines zur Philosophie notwendigen
angeborenen „philosophischen Geistes“ beruht, aber noch durchaus
die allgemeine „Mitteilbarkeit“ der Erkenntnis als das Ideal vor-
aussetzt. Diese Stimmung sucht nunmehr auch einen Weg zu
der hier noch verworfenen mythologischen Mitteilungsweise des
Wahren in „Mysterien“.
Das geschieht in einem Brief vom 12. III. 96, also kurz vor
dem Scheiden aus Stuttgart: „Ich glaube“, erklärt Schelling da,
„daß zu einer Nationalerziehung Mysterien gehören, in welche der
Jüngling stufenweise eingeweiht wird. In diesen sollte die neue
Philosophie gelehrt werden. Sie sollte die letzte Enthüllung seyn,
die man dem erprobten Schüler der Weisheit widerfahren lasse“.
So also verflicht sich nunmehr der Gedanke der Mythologie mit
dem der allgemeinen Mitteilbarkeit: die Mysterien sollen „stufen-
weise“ zur Philosophie führen. Die Mythologie ist nunmehr eine
Zukunftsforderung und zwar eine neue Mythologie, die im Dienste
der neuen Philosophie steht. Da nun bei dem literarischen Be-
Franz Rosenzweig:
vorbereiten. Es ist die gleiche „absolute Übereinstimmung“, die
in der Naturrechtsdeduktion damals als das höchste Ziel für alle
„moralischen Wesen“ auf gestellt wird. Deswegen können für
Schelling auch noch 1795, ähnlich wie schon zwei Jahre zuvor,
Mythen als philosophische Versuche zwar „Achtung verdienen“,
insofern sie wenigstens „das gefühlte Bedürfnis einer Erklärung“
voraussetzen, aber nicht mehr. Ja ganz entschieden wird eben
um der „Menschheit“ willen der Mythos für Gegenwart und Zu-
kunft verworfen in den Schlußworten der Philosophischen Briefe:
„Nimmer wird künftig der Weise zu Mysterien seine Zuflucht
nehmen, um seine Grundsätze vor profanen Augen zu verbergen.
Es ist Verbrechen an der Menschheit, Grundsätze zu verbergen,
die allgemein mitteilbar sind“. Freilich hier tritt nun ein ein-
schränkender Gedanke hinzu: „die Natur selbst hat dieser Mit-
teilbarkeit Gränzen gesetzt: sie hat — für die Würdigen eine
Philosophie aufbewahrt, die durch sich selbst zur esoteri-
schen wird, weil sie nicht gelernt, nicht nachgebetet, nicht
nachgeheuchelt, nicht auch von geheimen Feinden und Aus-
spähern nachgesprochen werden kann — ein Symbol für den Bund
freier Geister, an dem sie sich alle erkennen, das sie nicht zu ver-
bergen brauchen, und das doch, nur ihnen verständlich, für die
andern ein ewiges Räthsel sein wird“. Dies ist, soviel man sieht,
ein erstes leises Aufklingen der esoterischen Stimmung, die hier
noch rein auf dem Gedanken eines zur Philosophie notwendigen
angeborenen „philosophischen Geistes“ beruht, aber noch durchaus
die allgemeine „Mitteilbarkeit“ der Erkenntnis als das Ideal vor-
aussetzt. Diese Stimmung sucht nunmehr auch einen Weg zu
der hier noch verworfenen mythologischen Mitteilungsweise des
Wahren in „Mysterien“.
Das geschieht in einem Brief vom 12. III. 96, also kurz vor
dem Scheiden aus Stuttgart: „Ich glaube“, erklärt Schelling da,
„daß zu einer Nationalerziehung Mysterien gehören, in welche der
Jüngling stufenweise eingeweiht wird. In diesen sollte die neue
Philosophie gelehrt werden. Sie sollte die letzte Enthüllung seyn,
die man dem erprobten Schüler der Weisheit widerfahren lasse“.
So also verflicht sich nunmehr der Gedanke der Mythologie mit
dem der allgemeinen Mitteilbarkeit: die Mysterien sollen „stufen-
weise“ zur Philosophie führen. Die Mythologie ist nunmehr eine
Zukunftsforderung und zwar eine neue Mythologie, die im Dienste
der neuen Philosophie steht. Da nun bei dem literarischen Be-