Das älteste Systemprogramm des deutschen Idealismus.
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Schrift Vom Ich wie das von den Philosophischen Briefen zuerst
bezeichnete „Problem aller Philosophie“, „wie das Absolute aus
sich herausgehen und eine Welt sich entgegensetzen könne“,
wieder auf und verbindet von Anfang an jene Tendenz und dieses
Problem, und etwa noch den gleichfalls schon 1795 entdeckten
Begriff Gottes als eines ewig nur Werdenden mit dem Begriff der
Mythologie als einer Offenbarung und dem Gedanken einer reli-
giösen Zukunft, die beide schön Anfang 1796 als Eckpfeiler der
beabsichtigten Religionsphilosophie feststanden. Es ist schon in
unserem Programm eigentlich der „letzte Schelling“, der, überall
das Werden der Offenbarung aufspürend, durch die Geschichte der
Religionen schritt und nach den Zeitaltern des römischen Petrus
und des wittenbergischen Paulus nunmehr, hätte er eine Kirche
zu bauen, sie dem Johannes des Logos-Evangeliums weihen wollte.
Anders freilich war 1796 die Stimmung. Schwerlich hatte er an
ein noch in die Geschichte des Christentums gehöriges Ereignis
gedacht, als er damals die neue „Religion“ prophezeite. Und auch
wie damals dieser Gedanke hervorwuchs aus dem Traum der
„ewigen Einheit“ des künftigen Menschengeschlechts, der „Auf-
geklärten“ und der „Unaufgeklärten“, auch das hängt so in
Schellings Altersphilosophie nicht mehr zusammen. Der Sans-
culotte von 1796 mit seinem wütenden Haß gegen alles „Priester-
tum“, allen „Afterglauben“, der es erkannt hatte, daß wir „auch
über den Staat hinaus“ müssen, ist als solcher spurlos verschwun-
den. Wirklich spurlos ? Ist nicht seine Ethik immer, einzig etwa
die wenigen Jahre des Zusammenarbeitens mit Hegel 1801 bis
1804 ausgenommen, dem „Menschenwerk von Regierung, Ver-
fassung, Gesetzgebung“ gegenüber, das er 1796 „elend“ gescholten
hatte, verneinend geblieben? Hat seine Ethik nicht stets, allein
jene kurze Epoche ausgenommen, den Grundgedanken von 1795
bewahrt: der Endzweck der Welt sei ihre Zernichtung als einer
Welt ? Ist nicht noch beim spätesten Schelling die Ableitung des
Staates aus dem Fluch nach dem Sündenfall, von der ein großer
konservativer Kritiker des Hegelschen Staatsgedankens ausgehen
konnte, nur das neue Gewand jenes Jugendgedankens, daß über
aller „Ethik“ das „Moralische“ stehe und wir also auch über den
stets mechanisierenden Staat „hinaus“ müssen?
So bleibt in den großen Inhalten seines Denkens der „Proteus
des Idealismus“ merkwürdig stabil. Was scheinbar nach und nach
hervortrat, lag schon von Anfang an, in allem Wesentlichen er-
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Schrift Vom Ich wie das von den Philosophischen Briefen zuerst
bezeichnete „Problem aller Philosophie“, „wie das Absolute aus
sich herausgehen und eine Welt sich entgegensetzen könne“,
wieder auf und verbindet von Anfang an jene Tendenz und dieses
Problem, und etwa noch den gleichfalls schon 1795 entdeckten
Begriff Gottes als eines ewig nur Werdenden mit dem Begriff der
Mythologie als einer Offenbarung und dem Gedanken einer reli-
giösen Zukunft, die beide schön Anfang 1796 als Eckpfeiler der
beabsichtigten Religionsphilosophie feststanden. Es ist schon in
unserem Programm eigentlich der „letzte Schelling“, der, überall
das Werden der Offenbarung aufspürend, durch die Geschichte der
Religionen schritt und nach den Zeitaltern des römischen Petrus
und des wittenbergischen Paulus nunmehr, hätte er eine Kirche
zu bauen, sie dem Johannes des Logos-Evangeliums weihen wollte.
Anders freilich war 1796 die Stimmung. Schwerlich hatte er an
ein noch in die Geschichte des Christentums gehöriges Ereignis
gedacht, als er damals die neue „Religion“ prophezeite. Und auch
wie damals dieser Gedanke hervorwuchs aus dem Traum der
„ewigen Einheit“ des künftigen Menschengeschlechts, der „Auf-
geklärten“ und der „Unaufgeklärten“, auch das hängt so in
Schellings Altersphilosophie nicht mehr zusammen. Der Sans-
culotte von 1796 mit seinem wütenden Haß gegen alles „Priester-
tum“, allen „Afterglauben“, der es erkannt hatte, daß wir „auch
über den Staat hinaus“ müssen, ist als solcher spurlos verschwun-
den. Wirklich spurlos ? Ist nicht seine Ethik immer, einzig etwa
die wenigen Jahre des Zusammenarbeitens mit Hegel 1801 bis
1804 ausgenommen, dem „Menschenwerk von Regierung, Ver-
fassung, Gesetzgebung“ gegenüber, das er 1796 „elend“ gescholten
hatte, verneinend geblieben? Hat seine Ethik nicht stets, allein
jene kurze Epoche ausgenommen, den Grundgedanken von 1795
bewahrt: der Endzweck der Welt sei ihre Zernichtung als einer
Welt ? Ist nicht noch beim spätesten Schelling die Ableitung des
Staates aus dem Fluch nach dem Sündenfall, von der ein großer
konservativer Kritiker des Hegelschen Staatsgedankens ausgehen
konnte, nur das neue Gewand jenes Jugendgedankens, daß über
aller „Ethik“ das „Moralische“ stehe und wir also auch über den
stets mechanisierenden Staat „hinaus“ müssen?
So bleibt in den großen Inhalten seines Denkens der „Proteus
des Idealismus“ merkwürdig stabil. Was scheinbar nach und nach
hervortrat, lag schon von Anfang an, in allem Wesentlichen er-