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Erwin Preuschen:
Der Scharfsinn v. Südens hat mit dieser Bewertung des
Diatessarons in der Tat den Punkt gefunden, an dem die text-
kritische Arbeit an den Evangelien einzusetzen hat, wenngleich
nicht verschwiegen werden darf, daß von ihm die notwendigen
Folgerungen für die Arbeitsweise aus dieser Erkenntnis nicht ge-
zogen worden sind. Es ist ohne Zweifel eine der erstaunlichsten
Erscheinungen auf dem Gebiet textkritischer Arbeit, daß die For-
schung sich mit heißem Bemühen der Gewinnung eines möglichst
zuverlässigen Evangelientextes zugewandt hat, daß sie es aber
bisher verabsäumt hat, die erste Ausgabe der Evangelien, deren
Text noch in erheblichem Umfang festzustellen ist, zu rekon-
struieren. Diese Ausgabe ist eben das Diatessaron Tatians, dessen
Wiederherstellung, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, ver-
sucht werden muß-, wenn sich nicht die Textkritik der Evangelien
-— und nicht nur ihre Textkritik — der wichtigsten Stütze be-
raubt sehen will.12)
2.
Die erste Nachricht über das Diatessaron verdanken wir
Eusebius. In seiner Kirchengeschichte (IV 29, 6) bemerkt er an-
läßlich einer aus Irenäus (I 28, 1) entlehnten Notiz über die Enkra-
titen: ό μέντοι γε πρότερος αυτών αρχηγός ό Τατιανός συνάφειαν
τινα και συναγωγήν ουκ οιδ’ δττως των ευαγγελίων συνθείς 'Τ ό
διά τεσσάρων' τοΰτο προσωνόμασεν, δ και παρά τισιν εις ετι
νυν φέρεται. Das ist eine ebenso kümmerliche Notiz, wie über-
haupt die Nachrichten, die wir sonst über den Mann besitzen,
dürftig sind, trotzdem er ein fruchtbarer und nicht verächtlicher
Schriftsteller war. Wie er selbst in seiner „Bede an die Griechen“
(c. 42) bemerkt, stammte er aus Syrien, genoß griechischen Unter-
richt üncl konnte sich (or. 1) rühmen, es in der Philosophie schon
zu Ehren gebracht zu haben13), ehe er christlichen Unterricht emp-
12) Von allen dem Diatessaron geividmeten Arbeiten ist weitaus die sorgfäl-
tigste die von Th. Zahn, Tatians Diatessaron [Forschungen zur Gesch. d. neutest.
Kanons u. d. altkirchl. Lit. IJ, Leipzig 1881; dazu die Ergänzungen in der Gesch.
d. neutl. Kanons I, 1888, S. 387 ff.; ΙΓ, 2, 1892, S. 530 ff. Leider verfügte Zahn
nicht über die unumgänglich notwendigen Sprachkenntnisse, ohne die diese Ar-
beit Stückwerk bleibt. Daher ist das Buch, soweit die wichtigen armenischen
Quellen in Frage kommen, nur mit größter Vorsicht zu benutzen. Weitere
Literatur wird im Verlauf zur Sprache kommen.
13) Or· 1: καν ei πάνυ σεμνός τις ήν ev αύτη (d. h. σοφία).
Erwin Preuschen:
Der Scharfsinn v. Südens hat mit dieser Bewertung des
Diatessarons in der Tat den Punkt gefunden, an dem die text-
kritische Arbeit an den Evangelien einzusetzen hat, wenngleich
nicht verschwiegen werden darf, daß von ihm die notwendigen
Folgerungen für die Arbeitsweise aus dieser Erkenntnis nicht ge-
zogen worden sind. Es ist ohne Zweifel eine der erstaunlichsten
Erscheinungen auf dem Gebiet textkritischer Arbeit, daß die For-
schung sich mit heißem Bemühen der Gewinnung eines möglichst
zuverlässigen Evangelientextes zugewandt hat, daß sie es aber
bisher verabsäumt hat, die erste Ausgabe der Evangelien, deren
Text noch in erheblichem Umfang festzustellen ist, zu rekon-
struieren. Diese Ausgabe ist eben das Diatessaron Tatians, dessen
Wiederherstellung, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, ver-
sucht werden muß-, wenn sich nicht die Textkritik der Evangelien
-— und nicht nur ihre Textkritik — der wichtigsten Stütze be-
raubt sehen will.12)
2.
Die erste Nachricht über das Diatessaron verdanken wir
Eusebius. In seiner Kirchengeschichte (IV 29, 6) bemerkt er an-
läßlich einer aus Irenäus (I 28, 1) entlehnten Notiz über die Enkra-
titen: ό μέντοι γε πρότερος αυτών αρχηγός ό Τατιανός συνάφειαν
τινα και συναγωγήν ουκ οιδ’ δττως των ευαγγελίων συνθείς 'Τ ό
διά τεσσάρων' τοΰτο προσωνόμασεν, δ και παρά τισιν εις ετι
νυν φέρεται. Das ist eine ebenso kümmerliche Notiz, wie über-
haupt die Nachrichten, die wir sonst über den Mann besitzen,
dürftig sind, trotzdem er ein fruchtbarer und nicht verächtlicher
Schriftsteller war. Wie er selbst in seiner „Bede an die Griechen“
(c. 42) bemerkt, stammte er aus Syrien, genoß griechischen Unter-
richt üncl konnte sich (or. 1) rühmen, es in der Philosophie schon
zu Ehren gebracht zu haben13), ehe er christlichen Unterricht emp-
12) Von allen dem Diatessaron geividmeten Arbeiten ist weitaus die sorgfäl-
tigste die von Th. Zahn, Tatians Diatessaron [Forschungen zur Gesch. d. neutest.
Kanons u. d. altkirchl. Lit. IJ, Leipzig 1881; dazu die Ergänzungen in der Gesch.
d. neutl. Kanons I, 1888, S. 387 ff.; ΙΓ, 2, 1892, S. 530 ff. Leider verfügte Zahn
nicht über die unumgänglich notwendigen Sprachkenntnisse, ohne die diese Ar-
beit Stückwerk bleibt. Daher ist das Buch, soweit die wichtigen armenischen
Quellen in Frage kommen, nur mit größter Vorsicht zu benutzen. Weitere
Literatur wird im Verlauf zur Sprache kommen.
13) Or· 1: καν ei πάνυ σεμνός τις ήν ev αύτη (d. h. σοφία).