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Neckel, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1918, 7. Abhandlung): Studien zu den germanischen Dichtungen vom Weltuntergang — Heidelberg, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.37669#0006
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Gustav Neckel:

liehe Übereinstimmung im großen — was zumal gegenüber Olrik
zu betonen ist. Aber in einzelnen Motiven zeigen sich Unterschiede.
Nach der Völuspä ist es ganz deutlich, daß das Bersten des Him-
mels eine der Begleiterscheinungen oder Folgen von Surts Auf-
treten ist, und daß der Dichter von dem Einreiten Surts durch
den Himmelsriß nichts weiß. Ferner trennt die Völuspä, wie wir
sahen, Surt und die Muspellsleute und weist ihnen sogar ver-
schiedene Himmelsrichtungen an.
Diese und einige andere Einzeldifferenzen müssen wir gelten
lassen. Sie können uns auch gar nicht wundern. Wir haben
keinerlei Grund, zu versuchen, sie auf irgend eine Weise zu be-
seitigen, sei es durch Konjekturen (so Bugge und, ihm folgend,
alle neueren Herausgeber bis auf Detter-Heinzel!), sei es auf
dem Wege der Interpretation (wie CXlsen). Denn Gylfaginning
und Völuspä liegen zeitlich und wahrscheinlich auch räumlich
weit auseinander, und wenn auch die Völuspä die Hauptquelle
der Gylfaginning ist, so ist sie doch nicht die einzige.
Wir dürfen also auch nicht gleich mit der Deutung bei der
Hand sein, Snorris Abweichungen seien Snorris Neuerungen
oder 'Willkürlichkeiten’. Das Motiv von dem Bitt der Dämonen
durch den Iiimmelsriß — grandios, wie es ist — sieht so aus, als
wäre es der Darstellung der Völuspä gegenüber sekundär. Denn
es stellt sich dar als eine geschickte Kombination oder eine schöpfe-
rische Kreuzung der beiden Motivreihen 'anrückende Dämonen-
schar’ und 'Zusammensturz der Schöpfung’. Aber selbst wenn
dies richtig ist — sicher ist es nicht, vgl. Jesaja 64, i —, so folgt
nicht einmal, daß die Kombination jünger ist als die Völuspä
— weil wir von dieser nicht behaupten dürfen, sie erfinde diese
ihre Darstellung —, geschweige denn, daß sie von Snorri her-
rührt. Letzteres ist sogar im höchsten Grade unwahrscheinlich.
Was das Beieinander Surts und der Muspellssöhne angeht,
so fußt Snorri in diesem Punkte sicher auf alter Überlieferung
(s. o.). Der Sachverhalt ist dieser (Olsen hat ihn m. E. nicht
ganz richtig und auch nicht erschöpfend dargestellt; wir müssen
weiter ausholen):
In der Lokasenna macht Loki dem Freyr zum Vorwurf, er
habe Gymirs Tochter mit Gold erkauft und auf diese Weise sein
Schwert eingebüßt; wenn einst Muspells Söhne über den Dunkel-
wald reiten, werde er nicht wissen, wie er kämpfen solle. Hierin
liegt eine Anspielung auf die Sage von Freys Werbung um Gerd,
 
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