Studien zu den germ. Dichtungen vom Weltuntergang.
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ursprünglich mit dem Vorangehenden und Folgenden zusammen-
gehört haben kann. Es unterbricht nicht nur den Zusammenhang1;
es nimmt auch äußerlich, namentlich orthographisch, aber auch
sprachlich eine Sonderstellung ein2, so daß man schließen muß,
es sei aus einer anderen handschriftlichen Vorlage von einem kom-
pilierenden Abschreiber eingefügt worden. Dieses Ergebnis kann
dadurch, daß die eigentliche Gerichtsschilderung V. 73 ff. eine
Variante oder Parallele des siwaiago-Abschnittes ist, nur gestützt
werden, und es liefert zugleich dafür die plausibelste Erklärung.
Wir haben es also in dem Abschnitt V. 37—62 mit einer
selbständigen Dichtung zu tun. Wir nennen sie das 'Eliasgedicht’.
Anscheinend liegt es vollständig vor. Jedenfalls ist der Anfang
ein deutlicher Gedichteingang. Er gibt zugleich zu erkennen, daß
der Verfasser — ähnlich wie der des sogen. Wessobrunner Gebets
- in der Art mündlicher germanischer Dichtung sich bewegen
will (vgl. besonders die Anfänge des Hildebrandsliedes und des
Oddrünargrätr). Dies hindert ihn nicht, eine kirchliche Über-
lieferung zum Stoff zu wählen, sogar nach der Weise gelehrter
Schriftsteller unter Berufung auf Gewährsmänner zwei Formen
dieser Überlieferung nebeneinander zu stellen und dem Ganzen
einen predigtmäßigen Schluß in endreimenden Versen zu geben.
Etwas Ähnliches tut wiederum der Autor des Wessobrunner
Stückes. Man würde aber diese beiden bayerischen Geistlichen
falsch einschätzen, wenn man daraus schlösse, daß ihre Abhän-
gigkeit von der heimischen Dichtungsüberlieferung sich auf die
Eingangsformel und die stabreimende Metrik beschränkt. Daß sie
weiter geht, beweist für das Wessobrunner Stück die Überein-
stimmung der zweiten Langzeile mit Völuspä 3, 5—6, bei unserem
Gedicht das Wort muspilli, der Sinn, in dem es gebraucht wird,
und die Wortumgebung, in der es auftritt. Diese Ausdrücke und
Formeln müssen ebenso wie jene Langzeile aus mündlicher Dich-
tung stammen, denn nur in dieser kann der Zusammenhang mit
den Eddaliedern liegen. Dann aber erhebt sich die Frage: wie
war diese Dichtung beschaffen, und sollte nicht ihr Inhalt über
das an den Worten Feststellbare hinaus im Eliasgedicht nach-
wirken ?
Es ist oft behauptet worden, der Doppelzweikampf des Anti-
christ und des Satan gegen Elias und Gott (oder Christus) hänge
1 Müllenhoff, Denkmäler 2, 38.
2 Baesecke, Sitzungsber. d. Bert Akad. 1918, S. 414ff.
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ursprünglich mit dem Vorangehenden und Folgenden zusammen-
gehört haben kann. Es unterbricht nicht nur den Zusammenhang1;
es nimmt auch äußerlich, namentlich orthographisch, aber auch
sprachlich eine Sonderstellung ein2, so daß man schließen muß,
es sei aus einer anderen handschriftlichen Vorlage von einem kom-
pilierenden Abschreiber eingefügt worden. Dieses Ergebnis kann
dadurch, daß die eigentliche Gerichtsschilderung V. 73 ff. eine
Variante oder Parallele des siwaiago-Abschnittes ist, nur gestützt
werden, und es liefert zugleich dafür die plausibelste Erklärung.
Wir haben es also in dem Abschnitt V. 37—62 mit einer
selbständigen Dichtung zu tun. Wir nennen sie das 'Eliasgedicht’.
Anscheinend liegt es vollständig vor. Jedenfalls ist der Anfang
ein deutlicher Gedichteingang. Er gibt zugleich zu erkennen, daß
der Verfasser — ähnlich wie der des sogen. Wessobrunner Gebets
- in der Art mündlicher germanischer Dichtung sich bewegen
will (vgl. besonders die Anfänge des Hildebrandsliedes und des
Oddrünargrätr). Dies hindert ihn nicht, eine kirchliche Über-
lieferung zum Stoff zu wählen, sogar nach der Weise gelehrter
Schriftsteller unter Berufung auf Gewährsmänner zwei Formen
dieser Überlieferung nebeneinander zu stellen und dem Ganzen
einen predigtmäßigen Schluß in endreimenden Versen zu geben.
Etwas Ähnliches tut wiederum der Autor des Wessobrunner
Stückes. Man würde aber diese beiden bayerischen Geistlichen
falsch einschätzen, wenn man daraus schlösse, daß ihre Abhän-
gigkeit von der heimischen Dichtungsüberlieferung sich auf die
Eingangsformel und die stabreimende Metrik beschränkt. Daß sie
weiter geht, beweist für das Wessobrunner Stück die Überein-
stimmung der zweiten Langzeile mit Völuspä 3, 5—6, bei unserem
Gedicht das Wort muspilli, der Sinn, in dem es gebraucht wird,
und die Wortumgebung, in der es auftritt. Diese Ausdrücke und
Formeln müssen ebenso wie jene Langzeile aus mündlicher Dich-
tung stammen, denn nur in dieser kann der Zusammenhang mit
den Eddaliedern liegen. Dann aber erhebt sich die Frage: wie
war diese Dichtung beschaffen, und sollte nicht ihr Inhalt über
das an den Worten Feststellbare hinaus im Eliasgedicht nach-
wirken ?
Es ist oft behauptet worden, der Doppelzweikampf des Anti-
christ und des Satan gegen Elias und Gott (oder Christus) hänge
1 Müllenhoff, Denkmäler 2, 38.
2 Baesecke, Sitzungsber. d. Bert Akad. 1918, S. 414ff.