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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 12. Abhandlung): Das Mandäische Buch des Herrn der Größe und die Evangelienüberlieferung — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37689#0045
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Das mandäische Buch des Herrn der Größe.

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Nun ist Enös gewiß ein im alten Testament bezeugter Name, und
als Eigennamen empfand ihn zweifellos später der Mandäer1;
ursprünglich aber ist er Appellativum und bedeutet „Mensch“,
wie Adam. Ja es scheint, daß diese Bedeutung noch dunkel empfun-
den wird; in der Apokalypse wird regelmäßig und auch sonst be-
sonders häufig die unterscheidende Bezeichnung als Gottwesen
hinzugefügt: Enös-Uthra2, und wenn im rechten Genzä XV 1
„Anös, der große Uthra, der Sohn Gewaltiger“ seine Verkündigung
beginnt: „Ich bin ein Wort (oder: das Wort) ein Sohn von Worten“3,
so entspricht dem, daß Adakas — nach Prof. Lidzbarski der ver-
borgene Adam, d. h. der innere Mensch — geradezu den Bei-
namen „das Wort"' trägt4. Wir können, seit der Gott "Avü-pomoc,
im iranischen Volksglauben erwiesen ist, die Bezeichnung „Mensch“
oder „Sohn des (der) Menschen“ für den Messias oder ein dem
Messias ähnliches Wesen nicht mehr davon trennen oder die Selbst-
bezeichnung Jesu als Menschensohn (barnäscha = Mensch) als
bedeutungslos hinstellen, wie das noch Wellhausen (Einleitung
in die drei ersten Evangelien2 S. 123ff.) wenigstens versuchen
konnte5. Neben die Weissagung Daniels, das vierte Buch Esra,
das Henoch-Buch oder die unklaren Andeutungen Philos über
den -p&xoq ’ASaix6 tritt jetzt, wie an anderer Stelle näher darzu-
legen ist, ein voll ausgerundetes Bild in den nichtchristlichen
1 Das Appellativum würde bei ihm anders gelautet haben; die Auf-
fassung als Namen zeigt die übliche Verbindung Hibil, Sitil, Enös, die, be-
sonders in den liturgischen Stücken, derartig fest wird, daß bisweilen die drei
als Einheit empfunden werden (wie umgekehrt in den Zauberpapyri ö Asöp
"Aßpaag, ’laaax, Taxwß auch als Dreiheit).
2 Vgl. Lidzbarski, Festschrift für Th. Nöldeke S. 540.
3 Daß auch bei den Manichäern eine Klasse von Gottwesen oder die
Götter allgemein als Zoyoi bezeichnet werden, erwähne ich beiläufig (so
z. B. M 4.)
4 Der ecroih-ev avhpcoTtop ist stets der Ttpanrop avApw-op. der avApcoTCoq
i£ oupccvoö. Zur Sache vgl. unten S. 86.
5 Vgl. schon damals H. J. Holtzmann, Das■ messianische Bewußtsein
■Jesu S. 50ff. und jetzt Bousset, Kyrios Christos S. 12ff. Die neueste-mir
bekannte Behandlung von E. Kuhnert (Zeitschr. f. neutestam. Wissensch.
XVIII 1917/18 S. 165ff.) scheint mir in dem Ausgangspunkt, der Behand-
lung der griechischen Wendung, verfehlt, in der Wertung der jüdischen Quellen
glücklicher. Schade, daß Kuhnert die iranischen Vorbilder nicht gekannt
hat.
6 Esra berührt sich außerordentlich eng mit mandäischen Schilderungen,
ebenso Henoch; Philo weicht etwas ab, wie er ja auch die Vorstellung vom
Zoyoq (Aeou) fühlbar umformt.
 
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