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O. Weinreich:
sophischen Lehren und ethischen Anschauungen, wie sie seit dem
1. Jhd. v. Chr. Gemeingut sind. Daß an Stoa nicht ernstlich
gedacht werden kann, hat Gruppe (Roscher III 1151) mit Recht
betont, auch Neoplatonismus als nicht in erster Linie in Betracht
kommend erkannt, sondern auf Neopythagoreismus hingewiesen.
Wie gut sich das verträgt mit der in Philadelpheia durch das
Relief des Pythagoras bezeugten Moralphilosophie, ist einleuchtend.
Ein allerdings nicht „schulmäßig“ festzulegendes, aber immerhin
doch ein Zeugnis für Popularphilosophie in Philadelpheia ist das
Grabepigramm KPr. I 90:
Ούκ εσχον το ζην I'Slov, ξένε· χρησάμενος δέ
τώ χρήσαντι χρόνω άνταπέδωκα πάλιν.
ΙΙαροδΐτα, εύόδει.
Vgl. IG. XIV 2000,1702 (= Kaibel, Ep. Gr. 613, 722a) und Rohde,
Psyche II, 394 A. 2.
§ 85. Ich sage nicht, unser Dionvsios ist waschechter Neupytha-
goreer. Ich sage auch nicht, unser Mysterienkreis ist orphisch.
Die uns erhaltene Hymnensammlung gibt zwar nicht alles; wie
die Varianten in dem Codex Thryllitianus zeigen, wie uns die
sonstigen Spuren lehren, gab es eine reiche Menge derartiger Hym-
nen, in der auch andere Mächte vorgekommen sein mögen, als die
uns in dem orphischen Brevier zufällig erhaltenen. Aber ich lege
darauf keinen Wert, eine Deckung erzwingen zu wollen zwischen
Philadelpheia und Orphik. Es ist ein Privatkult; individuelle, uns
im einzelnen nicht mehr faßbare religiöse und philosophische
Motive haben bei der Zusammenstellung mitgespielt. Anregungen,
starke Berührungen, nicht mehr, aber auch nicht weniger glaube
ich aufgezeigt zu haben.
11. REINHEITSVORSCHRIFTEN; SITTLICHE GEBOTE.
§ 86. Z. 13f. [τάς Τυσίας έπι]τελεΐν κατά τε τά πάτρια καί ώς
νυν [εΐΈισται],
Die gleiche Verbindung von epichorischem und hellenischem
Kult, die sich in der Tatsache zeigt, daß Agclistis Hüterin des
οίκος ist (vgl. § 97), in dem sich der hellenische Altarkreis befindet,
umfaßte augenscheinlich auch das Opferwesen. Das primäre ist
natürlich das einheimische Opferritual, das neu eingeführte (ώς
νυν εΙΊΚσται) das hellenische; Einzelheiten darüber erfahren wir
aus der Inschrift nicht.
O. Weinreich:
sophischen Lehren und ethischen Anschauungen, wie sie seit dem
1. Jhd. v. Chr. Gemeingut sind. Daß an Stoa nicht ernstlich
gedacht werden kann, hat Gruppe (Roscher III 1151) mit Recht
betont, auch Neoplatonismus als nicht in erster Linie in Betracht
kommend erkannt, sondern auf Neopythagoreismus hingewiesen.
Wie gut sich das verträgt mit der in Philadelpheia durch das
Relief des Pythagoras bezeugten Moralphilosophie, ist einleuchtend.
Ein allerdings nicht „schulmäßig“ festzulegendes, aber immerhin
doch ein Zeugnis für Popularphilosophie in Philadelpheia ist das
Grabepigramm KPr. I 90:
Ούκ εσχον το ζην I'Slov, ξένε· χρησάμενος δέ
τώ χρήσαντι χρόνω άνταπέδωκα πάλιν.
ΙΙαροδΐτα, εύόδει.
Vgl. IG. XIV 2000,1702 (= Kaibel, Ep. Gr. 613, 722a) und Rohde,
Psyche II, 394 A. 2.
§ 85. Ich sage nicht, unser Dionvsios ist waschechter Neupytha-
goreer. Ich sage auch nicht, unser Mysterienkreis ist orphisch.
Die uns erhaltene Hymnensammlung gibt zwar nicht alles; wie
die Varianten in dem Codex Thryllitianus zeigen, wie uns die
sonstigen Spuren lehren, gab es eine reiche Menge derartiger Hym-
nen, in der auch andere Mächte vorgekommen sein mögen, als die
uns in dem orphischen Brevier zufällig erhaltenen. Aber ich lege
darauf keinen Wert, eine Deckung erzwingen zu wollen zwischen
Philadelpheia und Orphik. Es ist ein Privatkult; individuelle, uns
im einzelnen nicht mehr faßbare religiöse und philosophische
Motive haben bei der Zusammenstellung mitgespielt. Anregungen,
starke Berührungen, nicht mehr, aber auch nicht weniger glaube
ich aufgezeigt zu haben.
11. REINHEITSVORSCHRIFTEN; SITTLICHE GEBOTE.
§ 86. Z. 13f. [τάς Τυσίας έπι]τελεΐν κατά τε τά πάτρια καί ώς
νυν [εΐΈισται],
Die gleiche Verbindung von epichorischem und hellenischem
Kult, die sich in der Tatsache zeigt, daß Agclistis Hüterin des
οίκος ist (vgl. § 97), in dem sich der hellenische Altarkreis befindet,
umfaßte augenscheinlich auch das Opferwesen. Das primäre ist
natürlich das einheimische Opferritual, das neu eingeführte (ώς
νυν εΙΊΚσται) das hellenische; Einzelheiten darüber erfahren wir
aus der Inschrift nicht.