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Driesch, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 18. Abhandlung): Logische Studien über Entwicklung, 2 — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37695#0029
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Logische Studien über Entwicklung. 29
Es ist, als ob das Vitale nur ein allgemeines Modell
liefere, nach dem sich die Materie im großen und gan-
zen zu richten hat, so, wie ein Haus auch nur nach Grundriß
und Aufriß gebaut wird, aber nicht nach Vorschriften für Größe
und Lage jedes einzelnen Ziegels, für Mengen von Mörtel, Holz-
ausfüllungen usw.
Das wird verständlich bei der Lehre von den ,,Bedingungs-
gleichungen“: durch sie kommen allgemeine Ordnungszüge in das
Bewegungsgetriebe des Materiellen, ohne daß jedes einzelne Llrding
gelenkt wird:
Gewisse Wege sind „verboten“, aber nicht wird jedem Urding
seine Bahn positiv vorgeschrieben: die Gesamtheit dessen, was
nicht geschehen soll (und, in diesem Lalle, kann), die Gesamt-
heit des Verbotenen liefert die „Ordnung“.
Der Materie selbst wird hier alles Einzelne überlassen, wenig-
stens innerhalb jedes Organs.
Vielleicht gibt es auch daneben gelegentlich positive Eingriffe
des Vitalen nach der ersten und zweiten Möglichkeit, positive Ein-
griffe in das Verhalten ganz bestimmter Urdinge. Aber auch sie
wohl nur sparsam und derart, daß nach so einem Einfluß nun
wieder die Materie für sich innerhalb des Rahmens der allgemeinen
„Bedingungsgleichungen“ arbeitet. (Hierzu vergleiche man das,
was ich in den Organischen Regulationen, 1901, Seite 129, als
„Regulationsmoment“ bezeichnet habe.) —
Alle vitalistischen Lehren hätten es leichter, wenn Urzeugung
d. h. der absolute Anfang von Leben aus dem Leblosen heraus,
eine empirische Tatsache wäre; sie hätten es dann insofern leichter,
als sie gleichsam rücksichtsloser Vorgehen könnten. Da es Urzeu-
gung bekanntermaßen nicht „gibt“, so müssen die vitalistischen
Lehren erklären, warum das der Lall ist, wo es doch für eben den
Vitalismus so viel einfacher wäre, wenn es sie gäbe.
Wir kennen Leben nur in Herkunft von anderem materiell
ausgeprägten Leben — das eben bedeutete die Nichtexistenz von
Urzeugung.
Es ist nun klar, daß meine alte Suspensionslehre das Nicht-
bestehen von Urzeugung wohl am verständlichsten macht: Ente-
lechie ist in ihrem Wirken gebunden an bestehende, d. h. an
von ihr als bestehend übernommene Potentialdifferenzen. Alles
bleibt im Rahmen des „Kontrolliert“seins durch Entelechie von
Ewigkeit her; nicht kann Entelechie uranfänglich kontrollieren.
 
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