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Ritter, Constantin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 19. Abhandlung): Platons Stellung zu den Aufgaben der Naturwissenschaft — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37696#0024
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24

Constantin Ritter:

wir ihnen zugestehen.“1 Damit ist doch wohl angedeutet, nicht
bloß in sichtbaren Lageveränderungen und in hörbaren Ton-
folgen gebe sich uns Bewegung kund, sondern auch in den Emp-
findungen unserer anderen Sinne, des Gesichts, Geruchs, Ge-
schmacks; nur sei freilich der weise Mann noch nicht gekommen,
der auch diese durch mathematische Bearbeitung der Wissenschaft
erobert hätte.
Über Beginn, Fortpflanzung, Dauer einer Bewegung ist schon
im Bisherigen manches gesagt. Zur Ergänzung noch folgendes:
Ein äußerer Anstoß kann nur dadurch zustande kommen, daß
zwei einander berührende Körper irgendwie von einander ver-
schieden sind oder werden. Sonst würden sie gegenseitig in ihrem
Zustand sich nicht stören. Das schlechthin Gleichartige wäre
schlechthin unbewegt2. Und wenn es für das sinnliche Ding, für
den materiellen Körper als naturnotwendig gilt (vgl. oben S. 11),
daß er sich verändere, d. h. Bewegungen seiner Teile gegeneinander
ausführe, so liegt darin die Voraussetzung, daß diese Teile einander
nicht völlig gleichartig seien.
Noch einiges weitere, was zur Bewegungslehre gehört, ist aus
der Schilderung der Elemente zu entnehmen. Das Genauere
über diese ist folgendes. Das erste, was der ordnende Gott in dem
chaotischen Wirrwarr bewirkte, war, daß er die vier stofflichen
Grundarten durch unterscheidende Zahlbestimmtheiten feststellte3.
Ein wesentliches Merkmal der Körperlichkeit, die dem Stofflichen
eigen ist, besteht in der Flächenabgrenzung. Ihre Grundlage ist
das rechtwinklige Dreieck als einfachste Figur. Die natürlichste
begriffliche Einteilung schöner körperlicher Gestaltungen, um die
allein es sich in der von dem göttlichen Bildner eingerichteten
Welt handeln kann, geht deshalb den schönsten Formen des recht-
winkligen Dreiecks und der daraus zusammengesetzten regel-
mäßigen Flächen- und Körperumgrenzungen nach. Damit kommen
wir auf die Formen der fünf regelmäßigen Körper. Die drei ersten
von ihnen, Tetraeder, Oktaeder, Ikosaeder sind sämtlich durch
Zusammensetzungen von ungleichschenkligen rechtwinkligen Drei-
ecken der vornehmsten Art (in welchen eine Kathete gleich der
halben Hypotenuse, das Quadrat der größeren Kathete das Drei-
1 Pol. 530 d.
2 Tim. 57 d έν όμαλότητί, μηδέποτε έΟέλειν κίνησιν ένεΐνοα κτλ. Vgl. 58a.
3 διεσχηματίσατο εϊδεσι καί άριθμοΐς 53b.
 
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