Platons Stellung zu den Aufgaben der Naturwissenschaft.
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ist schon angeführt. Bemerkenswert ist auch, daß er die Lufthülle,
die die feste Erde umschließt1, ebenso wie die Wasser der Meeres-
becken als zu ihr gehörig rechnet und darum den Erdkörper als
vielmal größer annimmt als er gewöhnlich angenommen wird.
Auch dem für Menschen bewohnbaren Teil der festen Erdober-
fläche, der οικουμένη, die er wahrscheinlich2, den Gedanken des
Parmenides folgend, als zwei nördlich und südlich von der aus-
gebrannten Mittelzone sich erstreckende, auf der anderen Seite
durch die in Eis starrenden Polarkappen der Kugel begrenzte
Gürtelbänder ansieht, gibt er aber eine weit über die Größe der
bekannten Gebiete hinausreichende Ausdehnung. So kommt er
auf den Gedanken einer dem Gesicht der Mittelmeeranwohner ent-
rückten atlantischen Welt, die ihm den Boden abgeben muß für
den politischen Roman, den er im Kritias zu erzählen beginnt.
Der Philebos enthält die Bemerkung (Phil. 29hff.), daß die irdischen
Stoffe und Kräfte die gleichen sind wie im übrigen Kosmos und
von dorther entlehnt.
Neben der Astronomie sind auch andere Zweige der
Naturwissenschaften in der Akademie schon unter Platons
Leitung eifrig gepflegt worden. Über emsige Bemühungen, die auf
Herstellung eines Systems der Botanik gerichtet waren, belehrt
uns ein im Jahr 1881 zuerst von Wilamowitz verwertetes Komö-
dienfragment. Der Dichter führt uns3 mitten in eine Lehrstunde
der Akademie ein. Die Aufgabe aber, die Platon den eifrigen
Schülern gestellt hat, ist: zu bestimmen την κολοκύντη'ν, τίνος
έστί γένους. Auch die Schriftenverzeichnisse der ersten Nachfolger
Platons in der Akademie lassen uns erkennen, daß klassifikatorische
Arbeiten hier recht wichtig genommen wurden, und es hat einige
Wahrscheinlichkeit für sich, daß die διαιρέσεις, deren Titel sich
sowohl bei Speusippos als bei Xenokrates findet, auch auf das
Gebiet der Zoologie und Botanik sich erstreckten. Jedenfalls hat
Speusippos Zoologisches und Botanisches geschrieben4, ln Platons
1 Auf das andere, namentlich die AArstellungen, die er sich vom Erd-
innern macht, will ich nicht eingehen.
2 Vgl. H. Berger, Gesch. d. wissenschaftl. Erdkunde der Griechen2
S. 215 ff.
3 Vgl. meinen Platon I, S. 191.
4 Vgl. Wilamowitz, Philol. Unters. IV, S. 284, aus dem ich folgende
Sätze abschreibe: „Aristoteles hat die Vorarbeiten, welche seine gigantische
Leistung, namentlich auf zoologischem Gebiete, in den Schatten gestellt hat,
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ist schon angeführt. Bemerkenswert ist auch, daß er die Lufthülle,
die die feste Erde umschließt1, ebenso wie die Wasser der Meeres-
becken als zu ihr gehörig rechnet und darum den Erdkörper als
vielmal größer annimmt als er gewöhnlich angenommen wird.
Auch dem für Menschen bewohnbaren Teil der festen Erdober-
fläche, der οικουμένη, die er wahrscheinlich2, den Gedanken des
Parmenides folgend, als zwei nördlich und südlich von der aus-
gebrannten Mittelzone sich erstreckende, auf der anderen Seite
durch die in Eis starrenden Polarkappen der Kugel begrenzte
Gürtelbänder ansieht, gibt er aber eine weit über die Größe der
bekannten Gebiete hinausreichende Ausdehnung. So kommt er
auf den Gedanken einer dem Gesicht der Mittelmeeranwohner ent-
rückten atlantischen Welt, die ihm den Boden abgeben muß für
den politischen Roman, den er im Kritias zu erzählen beginnt.
Der Philebos enthält die Bemerkung (Phil. 29hff.), daß die irdischen
Stoffe und Kräfte die gleichen sind wie im übrigen Kosmos und
von dorther entlehnt.
Neben der Astronomie sind auch andere Zweige der
Naturwissenschaften in der Akademie schon unter Platons
Leitung eifrig gepflegt worden. Über emsige Bemühungen, die auf
Herstellung eines Systems der Botanik gerichtet waren, belehrt
uns ein im Jahr 1881 zuerst von Wilamowitz verwertetes Komö-
dienfragment. Der Dichter führt uns3 mitten in eine Lehrstunde
der Akademie ein. Die Aufgabe aber, die Platon den eifrigen
Schülern gestellt hat, ist: zu bestimmen την κολοκύντη'ν, τίνος
έστί γένους. Auch die Schriftenverzeichnisse der ersten Nachfolger
Platons in der Akademie lassen uns erkennen, daß klassifikatorische
Arbeiten hier recht wichtig genommen wurden, und es hat einige
Wahrscheinlichkeit für sich, daß die διαιρέσεις, deren Titel sich
sowohl bei Speusippos als bei Xenokrates findet, auch auf das
Gebiet der Zoologie und Botanik sich erstreckten. Jedenfalls hat
Speusippos Zoologisches und Botanisches geschrieben4, ln Platons
1 Auf das andere, namentlich die AArstellungen, die er sich vom Erd-
innern macht, will ich nicht eingehen.
2 Vgl. H. Berger, Gesch. d. wissenschaftl. Erdkunde der Griechen2
S. 215 ff.
3 Vgl. meinen Platon I, S. 191.
4 Vgl. Wilamowitz, Philol. Unters. IV, S. 284, aus dem ich folgende
Sätze abschreibe: „Aristoteles hat die Vorarbeiten, welche seine gigantische
Leistung, namentlich auf zoologischem Gebiete, in den Schatten gestellt hat,