Platons Stellung zu den Aufgaben der Naturwissenschaft.
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haben, gleich anfangs sich die Aufgabe der Welterklärung so ge-
stellt, daß auf dieser Frage der größte Nachdruck liegt. Und wenn
er eben das Nichtmechanische, nicht in räumlichen Beziehungen
Bestehende oder durch Veränderungen im Raum sich Verwirk-
lichende durch Ableitung aus früher Vorhandenem verständlich
machen wollte, so konnte er nicht umhin, mit dem Stoff von Anfang
an eine geistige Macht zu verbinden oder auf ihn ein wirkend zu setzen.
Eben daraus ergab sich für ihn die teleologische Betrach-
tung. Er führt sie durch im strengsten und eigentlichen Sinne des
Wortes, indem er untersucht, welche Zwecke der Baumeister der
Welt habe verwirklichen wollen. Und aus der Auffassung, daß in
allen Einzelheiten des Weltbestandes göttliche Zwecke mehr oder
weniger vollkommen verwirklicht seien, ergab sich auch das Ziel,
das er unserem Erkennen setzen will, nämlich diese göttlichen
Zwecke überall nachdenkend aufzufinden. Da seiner Voraus-
setzung über das Wesen Gottes gemäß die Gedanken des Schöpfers
nur auf Vollkommenes und Schönes gerichtet sein konnten1, so
war jedem einzelnen zu erklärenden Ding gegenüber die Frage zu
stellen: warum ist es so besser als es bei irgendwie anderer Be-
schaffenheit sein könnte ? Schon im Phaidon wird diese Betrach-
tungsweise angewandt. Platon legt dort dem Sokrates die Er-
zählung in den Mund, er habe, unbefriedigt von den mechanisti-
schen, zwar recht unterhaltenden, aber schlecht begründeten
Theorien, die die älteren Ionier über die Weltbildung aufgestellt
hatten, mit den größten Erwartungen zu dem Buch des Anaxagoras
gegriffen, von dem er gehört, daß in ihm der Geist zum Ordner der
Welt proklamiert werde. Aber dieser Ankündigung habe der Inhalt
nicht entsprochen, z. B. die Streitfrage über den Ort der Erde
innerhalb der Welt sei nicht damit entschieden worden, daß gezeigt
worden wäre, welches der schönste und beste Ort für sie wäre.
Begreiflich sei das wohl. Denn solche Nachweisungen, die er gern
von anderen, Kundigeren angenommen hätte, seien so schwierig,
daß er für sich selbst, vorderhand wenigstens, willig darauf ver-
zichte sie zu suchen.
Also der großen Schwierigkeiten, die der Durchführung einer
teleologischen Betrachtung im Wege stehen, ist Platon sich klar
bewußt2. Er weiß auch, daß sie gegen jeden Versuch dazu gleich
1 Tim. 29 d ff.
2 Auch in den oben angeführten Sätzen des Timaiös spricht sich dieses
Bewußtsein deutlich aus.
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haben, gleich anfangs sich die Aufgabe der Welterklärung so ge-
stellt, daß auf dieser Frage der größte Nachdruck liegt. Und wenn
er eben das Nichtmechanische, nicht in räumlichen Beziehungen
Bestehende oder durch Veränderungen im Raum sich Verwirk-
lichende durch Ableitung aus früher Vorhandenem verständlich
machen wollte, so konnte er nicht umhin, mit dem Stoff von Anfang
an eine geistige Macht zu verbinden oder auf ihn ein wirkend zu setzen.
Eben daraus ergab sich für ihn die teleologische Betrach-
tung. Er führt sie durch im strengsten und eigentlichen Sinne des
Wortes, indem er untersucht, welche Zwecke der Baumeister der
Welt habe verwirklichen wollen. Und aus der Auffassung, daß in
allen Einzelheiten des Weltbestandes göttliche Zwecke mehr oder
weniger vollkommen verwirklicht seien, ergab sich auch das Ziel,
das er unserem Erkennen setzen will, nämlich diese göttlichen
Zwecke überall nachdenkend aufzufinden. Da seiner Voraus-
setzung über das Wesen Gottes gemäß die Gedanken des Schöpfers
nur auf Vollkommenes und Schönes gerichtet sein konnten1, so
war jedem einzelnen zu erklärenden Ding gegenüber die Frage zu
stellen: warum ist es so besser als es bei irgendwie anderer Be-
schaffenheit sein könnte ? Schon im Phaidon wird diese Betrach-
tungsweise angewandt. Platon legt dort dem Sokrates die Er-
zählung in den Mund, er habe, unbefriedigt von den mechanisti-
schen, zwar recht unterhaltenden, aber schlecht begründeten
Theorien, die die älteren Ionier über die Weltbildung aufgestellt
hatten, mit den größten Erwartungen zu dem Buch des Anaxagoras
gegriffen, von dem er gehört, daß in ihm der Geist zum Ordner der
Welt proklamiert werde. Aber dieser Ankündigung habe der Inhalt
nicht entsprochen, z. B. die Streitfrage über den Ort der Erde
innerhalb der Welt sei nicht damit entschieden worden, daß gezeigt
worden wäre, welches der schönste und beste Ort für sie wäre.
Begreiflich sei das wohl. Denn solche Nachweisungen, die er gern
von anderen, Kundigeren angenommen hätte, seien so schwierig,
daß er für sich selbst, vorderhand wenigstens, willig darauf ver-
zichte sie zu suchen.
Also der großen Schwierigkeiten, die der Durchführung einer
teleologischen Betrachtung im Wege stehen, ist Platon sich klar
bewußt2. Er weiß auch, daß sie gegen jeden Versuch dazu gleich
1 Tim. 29 d ff.
2 Auch in den oben angeführten Sätzen des Timaiös spricht sich dieses
Bewußtsein deutlich aus.