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Weise, Georg; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 21. Abhandlung): Studien zur Entwicklungsgeschichte des abendländischen Basilikengrundrisses in den frühesten Jahrhunderten des Mittelalters — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37698#0004
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G. Weise:

werden. Frankreich aber, der Mutterboden und das Zentrum
fränkischer Zivilisation, versagt vorläufig in jener Hinsicht noch
vollständig. Alles Interesse an den Anfängen einheimischen
Kirchenbaues hat sich hier bisher so gut wie ausschließlich an die
noch über dem Boden vorhandenen Reste karolingischer Archi-
tektur geknüpft. Zu nennenswerten Versuchen, durch Grabungen
und lokale Untersuchungen den Kreis des bekannten Materials
zu erweitern und vor allem zu Denkmälern immer höheren Alters
vorzudringen, ist es noch nicht gekommen.
Versuchsweise konnte ich schon an anderer Stelle1 auf die
Frage der Grundrißentwicklung des basilikalen Schemas in den
Ländern nördlich der Alpen eingehen. Eine ähnliche Typen-
abwandlung, wie sie für den Orient und die adriatischen Küsten-
länder charakteristisch, schien sich an Hand der wenigen bis jetzt
zur Verfügung stehenden Denkmäler auch hier wahrscheinlich
machen zu lassen. Ein älteres und ein jüngeres Basilikenschema
fränkischer Zeit wäre anzunehmen, von denen das letztere erst
gegen 800 unter dem Einfluß der karolingischen Reformbestre-
bungen von dem römischen Basilikengrundriß mit weitausladen-
dem Querschiff verdrängt wurde. Weiteres Eindringen in dieses
Forschungsgebiet hat mir die genannte Auffassung bestätigt. In
Fortsetzung jener früheren Untersuchungen sei hier eine Reihe
von Studien geboten, zu denen mir meine wissenschaftliche Tätig-
keit im besetzten Nordfrankreich Veranlassung und Gelegen-
heit gab.

I. St. Vincenz in Laon.
St. Vincenz zu Laon ist, der Überlieferung nach merowingi-
scher Gründung, eine Stiftung der Königin Brunichilde. Von der
ehemaligen Abtei erhebt sich heute noch auf dem südwestlichsten
Ausläufer des die Stadt tragenden Bergklotzes der Westflügel der
um die Mitte des 18. Jahrhunderts errichteten Klausurgebäude2.
Er lehnte sich ursprünglich unmittelbar an das westliche Ende
der Kirche an. So kommt es, daß sich an der nördlichen Stirn-
seite dieses von Norden nach Süden gerichteten Gebäudes noch
1- Vgl. einzelne Aufsätze meiner „Untersuchungen zur Geschichte der
Architektur und Plastik des früheren Mittelalters“. Leipzig 1916.
2 Vgl. Histoire de l’abbaye de Saint-Vincent de Laon par Dom Robert
Wyard, publiee, annotee et continuee par l’abbe Cardon et Pabbe Mathieu,
St. Quentin 1858. S. 577.
 
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