24
G. Weise:
Einwandfreie Quellenzeugnisse stehen uns überhaupt nicht zur
Verfügung. Alle Nachrichten über die Anfänge des Klosters ent-
stammen späteren Quellen, die nur aus zweiter Hand schöpfen.
Die gelehrte Überlieferung des 17. und 18. Jahrhunderts1
sah in der Abtei St. Vincenz eine Stiftung der Königin Brunichildis
und setzte ihre Gründung um das Jahr 580 an2. Sie konnte sich
dabei auf ältere Chronisten wie Aimoin3 und Johannes Iprensis4
berufen, bei denen sich bereits die gleiche Tradition findet. Nicht
um eine völlige Neugründung soll es sich bei der Stiftung der
Königin gehandelt haben. Brunichildis richtete nur ein Mönchs-
kloster bei einem schon bestehenden, dem hl. Christoph geweihten
Gotteshaus ein, das sich an der Stelle eines allgemeinen Begräbnis-
platzes erhob. Die Anlage dieses vorklösterlichen Baues wird bald
den frühesten christlichen Zeiten, bald dem hl. Bemigius zu-
geschrieben, doch ohne daß für die eine oder die andere dieser
Behauptungen dokumentarische Beweise oder zwingende Gründe
erbracht würden. Tatsache bleibt nur, daß St. Vincenz auch noch
in späteren Jahrhunderten als ,,secunda sedes“ des Bistums galt
und lange Zeit die offizielle Begräbnisstätte nicht nur der Bischöfe,
sondern der ganzen Bevölkerung der Stadt war5. Erst zu Beginn
1 Originale Dokumente fehlten auch damals schon. Dom Wyard, der
Historiker des Klosters, muß (a. a. O., S. 63) gestehen: «Je ne trouve rien
de cette fondation par Brunehaut dans les cartulaires de Saint-Vincent qui
puisse prouver l’annee dans laquelle il a este bati.»
2 Vgl. Wyard, a. a. O., S. 60ff., Gallia christiana, Prov. Remensis,
S. 566, le Long, Histoire ecclesiastique et civile du diocese de Laon, S. 55.
3 Historia Francorum, Bouquet, Recueil III, S. 118, A: Nec tarnen ex
toto ita vecors exstitit, quin Dei ac sanctorum eius memorias a praedecessoribus
structas venerabiliter excoleret, ipsaque novas fabricando devote multi-
plicaret. Nam in suburbano Laudunensi basilicam in honorem sancti Vin-
centii construxit.
4 Chronicon monasterii s. Bertini, Martene, Thesaurus novus anecdoto-
rum III, S. 456, B: ecclesiam sancti Vincentii Laudunis fundavit.
5 Vgl. Wyard, a. a. O., S. 40ff. und vor allem die von ihm S. 43 nach
dem «Petit Cartulaire» der Abtei zitierte Urkunde König Rudolfs: Innotuit
nobis haberi quamdam ecclesiam in monte Lauduno, in honore et nomine
beati martyris Vincentii consecratam, quae adeo venerabilis semper exstitit,
ut secunda sedes supradictae Laudunensis ecclesiae appellaretur, in qua
eiusque adiacentibus atriis ex antiquo existere sepultura eiusdem loci episco-
porum et cimoeterium canonicorum. Wyard nennt weitere Urkunden ähn-
lichen Inhalts und zitiert einen das Vorrecht der „secunda sedes“ und das
Recht zur Bestattung der Bischöfe, Domherren usw. bestätigenden Passus
des Privilegs Honorius II. von 1125.
G. Weise:
Einwandfreie Quellenzeugnisse stehen uns überhaupt nicht zur
Verfügung. Alle Nachrichten über die Anfänge des Klosters ent-
stammen späteren Quellen, die nur aus zweiter Hand schöpfen.
Die gelehrte Überlieferung des 17. und 18. Jahrhunderts1
sah in der Abtei St. Vincenz eine Stiftung der Königin Brunichildis
und setzte ihre Gründung um das Jahr 580 an2. Sie konnte sich
dabei auf ältere Chronisten wie Aimoin3 und Johannes Iprensis4
berufen, bei denen sich bereits die gleiche Tradition findet. Nicht
um eine völlige Neugründung soll es sich bei der Stiftung der
Königin gehandelt haben. Brunichildis richtete nur ein Mönchs-
kloster bei einem schon bestehenden, dem hl. Christoph geweihten
Gotteshaus ein, das sich an der Stelle eines allgemeinen Begräbnis-
platzes erhob. Die Anlage dieses vorklösterlichen Baues wird bald
den frühesten christlichen Zeiten, bald dem hl. Bemigius zu-
geschrieben, doch ohne daß für die eine oder die andere dieser
Behauptungen dokumentarische Beweise oder zwingende Gründe
erbracht würden. Tatsache bleibt nur, daß St. Vincenz auch noch
in späteren Jahrhunderten als ,,secunda sedes“ des Bistums galt
und lange Zeit die offizielle Begräbnisstätte nicht nur der Bischöfe,
sondern der ganzen Bevölkerung der Stadt war5. Erst zu Beginn
1 Originale Dokumente fehlten auch damals schon. Dom Wyard, der
Historiker des Klosters, muß (a. a. O., S. 63) gestehen: «Je ne trouve rien
de cette fondation par Brunehaut dans les cartulaires de Saint-Vincent qui
puisse prouver l’annee dans laquelle il a este bati.»
2 Vgl. Wyard, a. a. O., S. 60ff., Gallia christiana, Prov. Remensis,
S. 566, le Long, Histoire ecclesiastique et civile du diocese de Laon, S. 55.
3 Historia Francorum, Bouquet, Recueil III, S. 118, A: Nec tarnen ex
toto ita vecors exstitit, quin Dei ac sanctorum eius memorias a praedecessoribus
structas venerabiliter excoleret, ipsaque novas fabricando devote multi-
plicaret. Nam in suburbano Laudunensi basilicam in honorem sancti Vin-
centii construxit.
4 Chronicon monasterii s. Bertini, Martene, Thesaurus novus anecdoto-
rum III, S. 456, B: ecclesiam sancti Vincentii Laudunis fundavit.
5 Vgl. Wyard, a. a. O., S. 40ff. und vor allem die von ihm S. 43 nach
dem «Petit Cartulaire» der Abtei zitierte Urkunde König Rudolfs: Innotuit
nobis haberi quamdam ecclesiam in monte Lauduno, in honore et nomine
beati martyris Vincentii consecratam, quae adeo venerabilis semper exstitit,
ut secunda sedes supradictae Laudunensis ecclesiae appellaretur, in qua
eiusque adiacentibus atriis ex antiquo existere sepultura eiusdem loci episco-
porum et cimoeterium canonicorum. Wyard nennt weitere Urkunden ähn-
lichen Inhalts und zitiert einen das Vorrecht der „secunda sedes“ und das
Recht zur Bestattung der Bischöfe, Domherren usw. bestätigenden Passus
des Privilegs Honorius II. von 1125.