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Weise, Georg; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 21. Abhandlung): Studien zur Entwicklungsgeschichte des abendländischen Basilikengrundrisses in den frühesten Jahrhunderten des Mittelalters — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37698#0055
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Studien zur Entwicklungsgeschichte des abendländ. Basilikengrundrisses. 55
mit aus drei rechteckigen Räumen bestehender Ghorpartie etwa
seit dem 7. Jahrhundert an Stelle des älteren Typus, der eine von
geradegeschlossenen Nebenräumen flankierte halbrunde mittlere
Apside gezeigt hatte. Anfang des 7. Jahrhunderts käme somit
unter Umständen als frühester Termin für die Entstehung unserer
Kirche in Betracht, während andererseits das Verschwinden dieses
Typus, wie oben erwähnt, gegen 800 anzusetzen sein wird. Die
Möglichkeit besteht zwar, daß auch innerhalb dieser immer noch
ziemlich weiten zeitlichen Umgrenzung sich eine chronologische
Unterscheidung durchführen ließe, etwa in dem Sinne, daß die
Anlagen mit in einer Fluchtlinie geschlossener Ostpartie als früher,
diejenigen, wie Bretigny, mit rechtwinklig nach außen vorspringen-
dem, mittlerem Chorraum als später zu gelten hätten1. Bis zum
Bekanntwerden weiteren Materiales wird diese Frage jedoch un-
entschieden bleiben müssen.
Da die Klosterkirche 754 schon bestanden haben muß, vor
dem 7. Jahrhundert aber kaum erbaut sein dürfte, wird ihre Er-
richtung vorläufig vielleicht rund um 700 anzusetzen sein. Gleicher
Zeit mit ihr gehört aber auch, wie schon der Zusammenhang der
Mauern und die Übereinstimmung in deren Technik beweist, die
Klosteranlage an, deren Reste nördlich und westlich der Kirche
festgestellt wurden. Bretigny bietet uns in seinen Dispositionen
das wohlerhaltene Bild einer kleineren oder mittleren Klosteranlage
der Zeit um 700 oder spätestens des frühen 8. Jahrhunderts.
Meines Wissens ist es das erstemal, daß durch Grabungen eine so
restlose Erforschung einer klösterlichen Niederlassung dieser frühen
1 Schon a priori genommen würde sich diese Einteilung durch die Tat-
sache rechtfertigen, daß genetisch der Typus mit in einer einzigen Fluchtlinie
schließender Ostpartie dem vorangehenden Schema zweifellos näher steht
als die Anlagen mit rechtwinklig vorspringendem mittlerem Chorraum.
Ersterer kann unmittelbar an das ältere Schema angeknüpft werden: die
einzige Veränderung besteht darin, daß an Stelle der halbrunden mittleren
Apside ein rechteckiger Chorraum getreten ist. Das Vorschieben des mittleren
Chorabschlusses über die ursprünglich gemeinsame Ostfront aller drei Chor-
räume hinaus bedeutet dagegen schon einen weiteren Schritt in der Entwick-
lung. Zu dieser Annahme des Entwicklungsganges würde passen, was sich
bis jetzt über die chronologische Fixierung einzelner Bauten feststellen läßt.
In Deutschland gehören Schlüchtern und Petersberg bei Fulda erst dem
späten 8. Jahrhundert an. Unter den spanischen Bauten bietet S. Juan in
Banos (661) den älteren, die zweifellos sehr späte Kirche von Val de Dios den
jüngeren Typus. Bestätigung der hier geäußerten Ansicht müßte von dem
Bekanntwerden weiteren datierbaren Materials erwartet werden.
 
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