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Jacobs, Emil [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 24. Abhandlung): Untersuchungen zur Geschichte der Bibliothek im Serai zu Konstantinopel, 1 — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37730#0024
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Alte und neue Märchen.

gewesen sei. Zu Ende des 5. Jahrhunderts fand man in Zypern ein
von Barnabas eigener Hand, wie man meinte, geschriebenes Exem-
plar des Matthäus-Evangeliums d.h. eine von ihm vom Original ge-
nommene Abschrift, in welcher Sprache, wird nicht gesagt, aber im
Abendlande jedenfalls hielt man es für das hebräische Matthäus-
evangelium. Das Kleinod wurde dem Kaiser Zeno Isauricus über-
reicht, der es hocherfreut annahm und die Bischöfe der Insel von
der Oberhoheit des antiochenischen Patriarchen lossprach. Der
Kaiser ließ das Buch reich mit Gold schmücken und in seinem
Palaste aufbewahren. Alljährlich wurde daraus am Gründonnerstag
in der Kapelle des Palastes das Evangelium vorgelesen1. Es war
also griechisch geschrieben!
Diese Geschichte hat Tischendorf sehr wohl gekannt! Dies-
mal nur ein gewandter Essayist mit glänzendem Gedächtnis, hat
er kühn kombiniert, was seitdem als von einem großen Gelehrten
ausgegangen nur allzuoft Glauben gefunden und phantastische
Hoffnungen genährt hat.
Genug über das Märchen vom hebräischen Matthäus im Serai. —
Nichts anderes ist die Nachricht, Papst Calixtus III. habe vom
Sultan „Handschriften der kaiserlichen Bibliothek nach der Ein-
nahme Konstantinopels“ gekauft2.
In seinen 1590 erschienenen „Deila Libraria Vaticana Ragio-
namenti“, einer dilettantischen Kompilation, erzählt MutioPansa3:
Calisto terzo (come vogliono alcuni) la nobilitö assai de libri della
1 Vgl. O. Braunsberger: Der Apostel Barnabas, Mainz 1876. S. 1271'.,
123f. — R. A. Lipsius: Die apokryphen Apostelgeschichten und Apostel-
legenden, Bd. II, 2, Braunschweig 1884, S. 291 ff. — Sigebertus Gembla-
censis. Chronographia (Mon. Germ. Hist. Script. VI) S. 312: 489. Cum quo
(corpore Barnabae) etiam evangelium Mathei, ipsius manibus Mathei Hebraice
scriptum, quod erat simul reconditum, invenitur. — Über das sogen. Barnabas-
evangelium in Laodicea, „ein kirchliches Evangelienbuch vom 12. Jahrhundert
ohne jeglichen wissenschaftlichen Wert“ vgl. Tischendorf: Die Sinaibibel,
Leipzig 1871, S. 20, A. 13. — Über das zu Anfang des 14. Jhd.s von einem
zum Islam abgefallenen Christen italienisch geschriebene, nicht, wie man
früher annahm, aus dem arabischen übersetzte „Barnabasevangelium“ siehe:
The Gospel of Barnabas. Ed. by Lonsdale and Laura Ragg. Oxford 1907.
2 So Gardthausen, Sammlungen und Kataloge griechischer Hand-
schriften, Leipzig 1903 (Byzantinisches Archiv, Heft 3), S. 41, mit einem
Fragezeichen, das um so mehr gerechtfertigt ist, als Gardthausen irrtümlich
Nicolaus V. für Calixtus III. nennt.
3 Rom 1590, S. 319f.
 
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