Metadaten

Jacobs, Emil [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 24. Abhandlung): Untersuchungen zur Geschichte der Bibliothek im Serai zu Konstantinopel, 1 — Heidelberg, 1919

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37730#0122
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
110

Tavernior und die Bücher im Schatzhaus.

1650 jedenfalls noch zusammen mit de Vienne im Serai befunden
hat. 55 Jahre hat er dort zugebracht, ist also frühestens etwa
1595, spätestens etwa 1611 dahin gekommen; seine Mitteilungen
an Tavernier sind demnach für die Verhältnisse im Serai in der
ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts zutreffend. Sie wurden ergänzt
durch das, was Tavernier von de Vienne erfuhr, den er in Persien,
in Ispahan traf, schwerlich schon zu Ende seines vorletzten Aufent-
haltes dort, der bis Ende März 1665 währte; da de Vienne erst
1650 ins Serail eintrat und es nach 15 Jahren verließ, wird Tavernier
ihm vielmehr erst bei seinem letzten Aufenthalt in Ispahan, der
vom Sommer 1667 bis zum Ende des Jahres währte, begegnet sein.
Im Frühjahr und Sommer 1668 hielt sich Tavernier zum zweiten
und letzten Male in Konstantinopel auf1.
Die Vermutung hegt nahe, daß de Viennes Mitteilungen, die
Tavernier am Ende seines Reiselebens erhielt, und die die Berichte
des Sizilianers bestätigten, den Entschluß zur Reife brachten, die
Relation über das Serai vor allem anderen fertigzustellen. Und
noch ein anderer Grund wird mitgesprochen haben.
Der Zeitpunkt war für die Aufnahme gerade des Stoffes, den
die Relation du Serail behandelt, der denkbar günstigste. Die
Leidenschaft der Franzosen für den Orient stand auf ihrem Gipfel:
seit 1672 ging Bajazet mit immer neuer Wirkung auf Hörer und
Zuschauer in Paris über die Bretter. Racine hatte, als er das
tragische Bild aus jener geheimnisvollen Welt der Palastintriguen
des Serai enthüllte, geglaubt eine Erklärung geben zu müssen,
qu’on ait ose mettre sur la scene une histoire si recente, und bot sie
in dem Umstande des Dunkels, das über das Serai herrsche: Nous
avons si peu de commerce avec les princes et les autres personnes qui
vivent dans le serail, que nous les considerons, pour ainsi dire, comme
des gens qui vivent dans un autre siecle que le notre. Und nun kam
Tavernier mit seiner bis ins kleinste gehenden Relation, die Men-
schen und Dinge des Serai in nächster Nähe greifbar und glaub-
haft erscheinen ließ! Mit Recht sagt er in der Vorrede an den
König: Divers Anteurs ont ecrit sur le mesme sujet; mais je puis dire
qii’on n'a point, encore donne au Public une description plus exacte
ny plus veritable du Serrail. Es kommt nichts darauf an, ob er
wirklich ernsthaft zu nehmen ist, wenn er von früheren Relationen
1 Nouvelle relation ed. pr. S. 256 = ed. 1679 S. 550. Vgl. Joret a. a. O.
S. 206.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften