Metadaten

Warburg, Aby Moritz; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 26. Abhandlung): Heidnisch-antike Weissagung in Wort und Bild zu Luthers Zeiten — Heidelberg, 1920

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37732#0017
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Heidnisch-antike Weissagung in Wort und Bild zu Luthers Zeiten. 17

daß Melanchthon ihm hätte zugeben müssen, daß es eine sichere
Sterndeutekunst nicht gäbe; deshalb läßt er ihn ruhig damit
spielen. „Es ist ein dreck mit irer kunst“28. —Versuchte Magister
Philippus aber doch einmal, z. B. wenn ihm das Reisen bei Neu-
mond all zu gefährlich schien, den Doktor Martinus astrologisch zu
betreuen (1537), so gedenkt Luther noch später ärgerlich eines
solchen Einmischungsversuches, der „heilosen und schebichten
Astrologie“29.
Wie war es unter diesen Umständen möglich, daß sich die
Freunde Luthers überhaupt mit dieser übergrifflichen Datums-
verschiebung abfinden, geschweige denn für sie eintreten konnten ?
Denn aus einer Mitteilung Luthers bei Heydenreich geht her-
vor, daß selbst Melanchthon zur Partei der Geburtstags-Mytho-
logiker gehörte, sie enthüllt aber auch zugleich den Grund, warum
die astrologisch Gläubigen mit gutem Gewissen so verfahren
konnten. Heydenreich berichtet von einem Gespräch folgender-
maßen30: „Domine Doctor, multi astrologi in vestra genitura con-
sentiunt, constellationes vestrae nativitatis ostendere, vos muta-
tionem magnam allaturum.“ Tum Doctor: ‘Nullus est certus de
nativitatis tempore, denn Philippus et ego sein der Sachen umb
ein jar nicht eins. Pro secundo, putatis hanc causam et meum
negotium positum esse sub vestra arte incerta ? 0 nein, es ist ein
ander ding! Das ist allein Gottes werck. Dazu solt ir mich niemer
mer bereden V
Hier sieht man, daß die Astrologie von einem Jahr, über das
sich Luther und Melanchthon uneins sind, die kirchlich-revolu-
tionäre Sendung abhängig machen wollte, was Luther aufs schärfste
bestreitet. Diese Differenz 'umb ein jar’ aber gilt eben dem Jahre
1484, für das Melanchthon — an Stelle von 1483 — nach Gauricus’
Vorgang eintritt. Denn dieses war ein Jahr des großen Zusammen-
treffens der Planeten, von dem seit Generationen im voraus be-
rechnet, eine neue Epoche in der abendländischen religiösen Ent-
wicklung eintreten sollte31.
28 Ebda. S. 613.
29 Luthers Tischreden d. Math. Sammlung, herausg. von E. Kroker
(Leipzig 1903) S. 177 Mathesius Nr. 292.
20 Ebda. S. 320. Heydenreich 1543 Nr. 625.
31 Näheres darüber im folgenden Abschnitt.
Sitzungsberichted. Heidelb. Akad., philos.-hist. Kl. 1919. 26. Abh.

2
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften