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A. Warburg:
kommt es, daß Melanchthon durch seine mythenbildende Furcht-
samkeit das Schwert am Himmel fürchtet, gerade als er dem
Schwert der Reformation, dem Landgrafen, hätte vertrauen sollen.
Apian, der Astronom, hat freilich schon um diese Zeit dem
Kometenumfang das Dämonische genommen, indem er den Schweif
in Beziehung zur Sonne setzte. Aber erst Halley, indem er die
Gesetzmäßigkeit der Kometenerscheinung feststellte, entzog sie
anthropozentrischer Beschränktheit.
Schlußwort.
Damit führt die exegetische Rundreise wieder an den Aus-
gangspunkt, den Kometenbrief Melanchthons, zurück und zugleich
zu einem Curiosum des heidnisch-antiken Aberglaubens, aus dem
der Erkenntniswert für die Geschichtsauffassung der Reformations-
zeit herauszuholen versucht wurde. Wie die Himmelserscheinungen
menschlich umfaßt wurden, um ihre dämonische Macht wenigstens
bildhaft zu begrenzen, so wurde ein dämonischer Mensch wie Luther
verstirnt (und zwar, wie wir sahen, schon bei Lebzeiten durch eine
fast totemistische Verknüpfung seiner Geburt mit einem Planeten-
paar), um für seine sonst unbegreifliche, übermenschlich erschei-
nende Macht eine höhere, kosmische, götterhaft benannte Größe
als Ursache bildhaft zu verstehen.
Die Wiederbelebung der dämonischen Antike vollzieht sich
dabei, wie wir sahen, durch eine Art polarer Funktion des ein-
fühlenden Bildgedächtnisses. Wir sind im Zeitalter des Faust, wo
sich der moderne Wissenschaftler — zwischen magischer Praktik
und kosmologischer Mathematik — den Denkraum der Be-
sonnenheit zwischen sich und dem Objekt zu erringen versuchte.
Athen will eben immer wieder neu aus Alexandrien zurück-
erobert sein.
Unter diesem Gesichtspunkte sind die hier behandelten Bilder
und Worte — nur ein Bruchteil von dem, was zur Verfügung
hätte stehen können — etwa als bisher ungelesene Urkunden zur
tragischen Geschichte der Denkfreiheit des modernen Europäers
aufzufassen; es sollte zugleich an einer positiven Untersuchung
aufgezeigt werden, wie sich bei einer Verknüpfung von Kunst-
geschichte und Religionswissenschaft die kulturwissenschaft-
liche Methode verbessern läßt.
A. Warburg:
kommt es, daß Melanchthon durch seine mythenbildende Furcht-
samkeit das Schwert am Himmel fürchtet, gerade als er dem
Schwert der Reformation, dem Landgrafen, hätte vertrauen sollen.
Apian, der Astronom, hat freilich schon um diese Zeit dem
Kometenumfang das Dämonische genommen, indem er den Schweif
in Beziehung zur Sonne setzte. Aber erst Halley, indem er die
Gesetzmäßigkeit der Kometenerscheinung feststellte, entzog sie
anthropozentrischer Beschränktheit.
Schlußwort.
Damit führt die exegetische Rundreise wieder an den Aus-
gangspunkt, den Kometenbrief Melanchthons, zurück und zugleich
zu einem Curiosum des heidnisch-antiken Aberglaubens, aus dem
der Erkenntniswert für die Geschichtsauffassung der Reformations-
zeit herauszuholen versucht wurde. Wie die Himmelserscheinungen
menschlich umfaßt wurden, um ihre dämonische Macht wenigstens
bildhaft zu begrenzen, so wurde ein dämonischer Mensch wie Luther
verstirnt (und zwar, wie wir sahen, schon bei Lebzeiten durch eine
fast totemistische Verknüpfung seiner Geburt mit einem Planeten-
paar), um für seine sonst unbegreifliche, übermenschlich erschei-
nende Macht eine höhere, kosmische, götterhaft benannte Größe
als Ursache bildhaft zu verstehen.
Die Wiederbelebung der dämonischen Antike vollzieht sich
dabei, wie wir sahen, durch eine Art polarer Funktion des ein-
fühlenden Bildgedächtnisses. Wir sind im Zeitalter des Faust, wo
sich der moderne Wissenschaftler — zwischen magischer Praktik
und kosmologischer Mathematik — den Denkraum der Be-
sonnenheit zwischen sich und dem Objekt zu erringen versuchte.
Athen will eben immer wieder neu aus Alexandrien zurück-
erobert sein.
Unter diesem Gesichtspunkte sind die hier behandelten Bilder
und Worte — nur ein Bruchteil von dem, was zur Verfügung
hätte stehen können — etwa als bisher ungelesene Urkunden zur
tragischen Geschichte der Denkfreiheit des modernen Europäers
aufzufassen; es sollte zugleich an einer positiven Untersuchung
aufgezeigt werden, wie sich bei einer Verknüpfung von Kunst-
geschichte und Religionswissenschaft die kulturwissenschaft-
liche Methode verbessern läßt.