Heidnisch-antike Weissagung in Wort und Bild zu Luthers Zeiten. 33
den Text im Buche würde man etwa denken, daß hier bereits
die Plünderung Roms durch die deutschen Landsknechte dar-
gestellt sei; sieht man aber genauer zu, so entdeckt man neben
dem Kaiser das Planetenzeichen für die Sonne, auf dem Mantel
des Papstes das Jupiterzeichen und hinter dem Ritter das Symbol
des Mars. Tatsächlich sind diese Figuren, wie aus dem im Text
abgedruckten allegorischen Gedicht: „Reymen der Planeten“ un-
widerleglich hervorgeht, Illustrationen der Planetenkonstellation,
unter der 1521 jener Komet erschien. Dabei werden — hierin
liegt augenfällig beweisende Deutlichkeit — die Planetenfiguren
in bezug auf die politische Weissagung tatsächlich mit den Typen
der gleichzeitigen politischen und einander bekämpfenden Mächte
identifiziert: Sol ist der Kaiser, Jupiter der Papst, Mars der Ritter-
stand und in dem Mann mit dem Schwert haben wir einen miß-
verstandenen Saturn, den Bauern, zu erkennen.
Garion gibt uns in dieser Schrift auch eine pressegeschichtlich
höchst bemerkenswerte Notiz: er wendet sich gegen die illustrierte
Sensationspresse, wie sie auf dem Reichstage zu Worms durch
die Sündflut-Stimmungsmache eines Seytz60 zu wirken suchte. Man
fühlt, wie die Holzschnittillustration als mächtiges neues Agitations-
mittel für die Bearbeitung der Ungelehrten eingriff.
Würde der Historiker nicht durch unwiderlegliche Zeugnisse
gezwungen, solche Ansammlungen banaler Trachtentypen religions-
wissenschaftlich ernst zu nehmen, so würde er eine derartige Illu-
stration überlegen lächelnd bald aus der Hand legen — um sich
damit, wie so häufig, das Kuriosum als tiefreichendste Quelle
völkerpsychologischer Einsicht zu verschütten. Denn diese Stern-
dämonen wurden als wirkliche Gewalten empfunden und offen-
harten sich eben deswegen anthropomorph. Es klingt eben nur
paradox, wenn man sagt, daß dieser Götterversammlung eine
stärkere göttliche Augenblicksgewalt innewohnte, als den Olym-
piern an der Decke der Villa Farnesina, die ungefähr um diese Zeit
Raphael erscheinen ließ. Freilich stellt die italienische Renais-
sance die Götterfiguren ihres Altertums in so freier selbstverständ-
licher Schönheit vor unsere Augen hin, daß jeder Kunsthistoriker
60 „Alexander Seytz von Marpach der löblichen Fürsten von Beyrn
Phisic“. In den neueren Biographien (Pagel und Bolte ADB. 33. 653/55
und G. Linder, Zs. f. allg. Gesch., 1886, 224/32) dieses vielseitigen Arztes
klafft für die Jahre 1516—25 eine Lücke, die durch Carions bislang übersehene
Erwähnung teilweise ausgefüllt wird.
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., philos.-hist. Kl. 1919. 26. Abh.
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den Text im Buche würde man etwa denken, daß hier bereits
die Plünderung Roms durch die deutschen Landsknechte dar-
gestellt sei; sieht man aber genauer zu, so entdeckt man neben
dem Kaiser das Planetenzeichen für die Sonne, auf dem Mantel
des Papstes das Jupiterzeichen und hinter dem Ritter das Symbol
des Mars. Tatsächlich sind diese Figuren, wie aus dem im Text
abgedruckten allegorischen Gedicht: „Reymen der Planeten“ un-
widerleglich hervorgeht, Illustrationen der Planetenkonstellation,
unter der 1521 jener Komet erschien. Dabei werden — hierin
liegt augenfällig beweisende Deutlichkeit — die Planetenfiguren
in bezug auf die politische Weissagung tatsächlich mit den Typen
der gleichzeitigen politischen und einander bekämpfenden Mächte
identifiziert: Sol ist der Kaiser, Jupiter der Papst, Mars der Ritter-
stand und in dem Mann mit dem Schwert haben wir einen miß-
verstandenen Saturn, den Bauern, zu erkennen.
Garion gibt uns in dieser Schrift auch eine pressegeschichtlich
höchst bemerkenswerte Notiz: er wendet sich gegen die illustrierte
Sensationspresse, wie sie auf dem Reichstage zu Worms durch
die Sündflut-Stimmungsmache eines Seytz60 zu wirken suchte. Man
fühlt, wie die Holzschnittillustration als mächtiges neues Agitations-
mittel für die Bearbeitung der Ungelehrten eingriff.
Würde der Historiker nicht durch unwiderlegliche Zeugnisse
gezwungen, solche Ansammlungen banaler Trachtentypen religions-
wissenschaftlich ernst zu nehmen, so würde er eine derartige Illu-
stration überlegen lächelnd bald aus der Hand legen — um sich
damit, wie so häufig, das Kuriosum als tiefreichendste Quelle
völkerpsychologischer Einsicht zu verschütten. Denn diese Stern-
dämonen wurden als wirkliche Gewalten empfunden und offen-
harten sich eben deswegen anthropomorph. Es klingt eben nur
paradox, wenn man sagt, daß dieser Götterversammlung eine
stärkere göttliche Augenblicksgewalt innewohnte, als den Olym-
piern an der Decke der Villa Farnesina, die ungefähr um diese Zeit
Raphael erscheinen ließ. Freilich stellt die italienische Renais-
sance die Götterfiguren ihres Altertums in so freier selbstverständ-
licher Schönheit vor unsere Augen hin, daß jeder Kunsthistoriker
60 „Alexander Seytz von Marpach der löblichen Fürsten von Beyrn
Phisic“. In den neueren Biographien (Pagel und Bolte ADB. 33. 653/55
und G. Linder, Zs. f. allg. Gesch., 1886, 224/32) dieses vielseitigen Arztes
klafft für die Jahre 1516—25 eine Lücke, die durch Carions bislang übersehene
Erwähnung teilweise ausgefüllt wird.
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., philos.-hist. Kl. 1919. 26. Abh.
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