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A. Warburg:
der großen Konjunktion von 1484, wie sie Paul von Middelburg
sternwissenschaftlich in der Prognostica bearbeitete, denn der Inhalt
des Buches deckt sich — ich verweise auf Sud hoff102, der dies
zuerst festgestellt hat — mit dem Kapitel der Prognostica, das sich
mit den medizinischen Folgen der großen Konjunktion befaßt.
Auch die zunächst sehr wenig politisch oder ominös aussehende
Mißgeb urt einer Sau (Abb.24) zeigt, wie Dürer zur selben Zeit
auch in der Region der wahrsagenden Monstra zu Hause war. Der
Kupferstich stellt die Wunder-Sau von Landser dar, die 1496 im
Sundgau geworfen wurde103. Nur einen Kopf hatte das Scheusal,
aber zwei Leiber und acht Füße. Man hat nachgewiesen, daß
Dürer als Vorlage ein fliegendes Blatt benutzte (Abb. 25), das
Sebastian Brant104, der gelehrte Frühhumanist 1496 lateinisch und
deutsch veröffentlichte. Es ist, wie noch andere ähnliche Blätter,
Kaiser Maximilian I. gewidmet und unterstützt dessen Politik
durch Weissagungen. Im Texte tritt Brant — das ist für den hier
entwickelten Ideengang bedeutsam — ganz bewußt als antiker
Augur auf, er stellt seine politische Ausdeutung unter den Schutz
der vergilischen, dem Aeneas geweissagten Wundersau:
Was wil diß suw vns bringen doch
Gdacht in mir eygentlich das noch
Das man durch Suw in der geschieht
Lißt / kunfftiger ding syn bericht
Als die Su die Eneas fandt
Mit jungen an des Tybers sandt.
Es ist wirklich ein ,,Naturgreuel-Extrablatt“ im Dienste der Tages-
politik. Sebastian Brant hätte sich für seine Künste auf noch viel
ältere und ehrwürdigere Ahnen berufen können; sein „aktuelles“
Greuelblatt war ebenso schon in Keilschrift auf assyrischen Ton-
tafeln zu lesen. Wir wissen, daß etwa um die Mitte des 7. Jahr-
hunderts v. Chr. dem König Asarhaddon der Wahrsagepriester
Nergal-etir von der Mißgeburt eines Schweines mit acht Füßen
102 Stud. z. Gesch. d. Med. Heft 9 (Leipzig 1912) und: Graphische und
typographische Erstlinge (Alte Meister der Med. u. Naturkunde 4, München
1912).
103 E. Major, Dürers Kupferstich „Die wunderbare Bau von Landser“ im
Elsaß, Monatshefte für Kunstwissenschaft VI. (1913), S. 327— 330, Taf. 81.
Sie ist auch auf Grünpecks Sammelblatt zu sehen. Siehe o. S. 52.
104 Flugblätter des Sebastian Brant, hrsgeg. v. PaulHeitz (Jahresgaben
d. Ges. f. elsäß. Lit. III), Straßburg 1915, Blatt 10.
A. Warburg:
der großen Konjunktion von 1484, wie sie Paul von Middelburg
sternwissenschaftlich in der Prognostica bearbeitete, denn der Inhalt
des Buches deckt sich — ich verweise auf Sud hoff102, der dies
zuerst festgestellt hat — mit dem Kapitel der Prognostica, das sich
mit den medizinischen Folgen der großen Konjunktion befaßt.
Auch die zunächst sehr wenig politisch oder ominös aussehende
Mißgeb urt einer Sau (Abb.24) zeigt, wie Dürer zur selben Zeit
auch in der Region der wahrsagenden Monstra zu Hause war. Der
Kupferstich stellt die Wunder-Sau von Landser dar, die 1496 im
Sundgau geworfen wurde103. Nur einen Kopf hatte das Scheusal,
aber zwei Leiber und acht Füße. Man hat nachgewiesen, daß
Dürer als Vorlage ein fliegendes Blatt benutzte (Abb. 25), das
Sebastian Brant104, der gelehrte Frühhumanist 1496 lateinisch und
deutsch veröffentlichte. Es ist, wie noch andere ähnliche Blätter,
Kaiser Maximilian I. gewidmet und unterstützt dessen Politik
durch Weissagungen. Im Texte tritt Brant — das ist für den hier
entwickelten Ideengang bedeutsam — ganz bewußt als antiker
Augur auf, er stellt seine politische Ausdeutung unter den Schutz
der vergilischen, dem Aeneas geweissagten Wundersau:
Was wil diß suw vns bringen doch
Gdacht in mir eygentlich das noch
Das man durch Suw in der geschieht
Lißt / kunfftiger ding syn bericht
Als die Su die Eneas fandt
Mit jungen an des Tybers sandt.
Es ist wirklich ein ,,Naturgreuel-Extrablatt“ im Dienste der Tages-
politik. Sebastian Brant hätte sich für seine Künste auf noch viel
ältere und ehrwürdigere Ahnen berufen können; sein „aktuelles“
Greuelblatt war ebenso schon in Keilschrift auf assyrischen Ton-
tafeln zu lesen. Wir wissen, daß etwa um die Mitte des 7. Jahr-
hunderts v. Chr. dem König Asarhaddon der Wahrsagepriester
Nergal-etir von der Mißgeburt eines Schweines mit acht Füßen
102 Stud. z. Gesch. d. Med. Heft 9 (Leipzig 1912) und: Graphische und
typographische Erstlinge (Alte Meister der Med. u. Naturkunde 4, München
1912).
103 E. Major, Dürers Kupferstich „Die wunderbare Bau von Landser“ im
Elsaß, Monatshefte für Kunstwissenschaft VI. (1913), S. 327— 330, Taf. 81.
Sie ist auch auf Grünpecks Sammelblatt zu sehen. Siehe o. S. 52.
104 Flugblätter des Sebastian Brant, hrsgeg. v. PaulHeitz (Jahresgaben
d. Ges. f. elsäß. Lit. III), Straßburg 1915, Blatt 10.