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Ehrismann, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 8. Abhandlung): Studien über Rudolf von Ems: Beiträge zur Geschichte d. Rhetorik u. Ethik im Mittelalter — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37685#0036
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36

Gustav Ehrismann:

drei verschiedenen Kunstformen müssen auch verschieden wirken:
Hartmanns Anmut verleiht dem Herzen Wohlbehagen, Gotfrids
Kunst in ihrer Anmut und Schönheitsfülle ist die größte Gnade
zuteil geworden, schmerzbeladene Seelen zu trösten und lebens-
mutige zu noch höherem Leben zu erheben; darum hat er die
Liebe der Menschen und seine Kunst ist eine von Gott verliehene
Gnade. Und welches Verdienst kommt Wolfram zu ? Er liefert
eine gute Beisteuer zur Kurzweil, zur Vertreibung müßiger oder
schwerer Stunden. Rudolf hat nicht verhohlen, welchem der
beiden führenden Meister seine Sympathie gehört.
Sein eigenes Stilprinzip legt Rudolf, wenigstens für den
Alexander, im Prolog zum 3. Buch 8025—8039 dar: Weitschweifig-
keit soll vermieden werden, durch einfache Anmut zum Herzen
gehend soll die Sprache sein (an naher gender süeze sieht), mit rich-
tigem Ausdruck und gemeinverständlichen Worten, und fein
gefügt, aber nicht im Übermaß gekünstelt (um keinen Überdruß
zu erwecken), zur Zeitverkürzung für die hochgesinnten Gesell-
schaftskreise. Das sind die Eigenschaften der gemäßigten Rede
mit der Absicht auf das Unterhalten, delectare.
Auf den Gedanken, die bedeutenden deutschen Dichter in
einem kleinen literarischen Abriß zusammenzustellen, ist Gotfrid
durch die wissenschaftliche Tradition gekommen. Er hat die
christlich lateinische Art der Literaturgeschichtsschreibung1
auf deutsche Verhältnisse übertragen. Schon in den Lehrbüchern
der klassischen Rhetorik, hei Cicero, Quintilian, gibt es einen Ab-
schnitt über die nachzuahmenden Dichter und Redner. Der Be-
gründer dieses Wissenschaftszweiges ist für das Mittelalter Hiero-
nymus durch sein Buch De viris illustribus, der als Vorbild Ciceros
Brutus nennt. Er hat zur Hauptquelle die Kirchengeschichte des
Eusebius. Seine Behandlung der einzelnen Autoren ist recht
dürftig und besteht zumeist nur in einer trockenen Aufzählung
ihrer Werke mit wenigen historischen Notizen. Hieronymus wurde
benutzt und fortgesetzt von Cassiodor (De institutione Divinarum
litterarum I, Cap. 17—23), von Gennadius, Isidor, Beda. Diese
wieder wurden ausgeschrieben und weitergeführt von Sigehert von
Gembloux (Migne 160, 547—588), Honorius Augustodunensis
(Migne 172, 197—234)2 und dem Anonymus Mellicensis (Migne 213,
1 Vgl. Paul Lehmann, Literaturgeschichte im Mittelalter, Germ.-roman.
Monatsschrift, IV. Jahrg., H. 11, S. 569—582, H. 12, S. 617—636.
2 Jos. Ant. Endres, Honorius Augustodunensis, S. 9ff. 69ff.
 
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